: Baskische Bürgermeister mucken auf
Politiker im Süden Frankreichs fordern in einer Abstimmung mehrheitlich ein eigenes Département. In einem Zollamt explodiert zum zweitenmal in diesem Jahr eine Bombe ■ Aus Paris Dorothea Hahn
An Frankreichs Rand knallt es immer häufiger. Nach den zahlreichen Bombenanschlägen der letzten Wochen auf Korsika explodierte in der Nacht zu Freitag ein Sprengsatz in einem Zollamt im französischen Baskenland und richtete erheblichen Sachschaden an. Wenige Stunden zuvor war eine denkwürdige Abstimmung zu Ende gegangen: Die Mehrheit der Bürgermeister der Region sprach sich für die Schaffung eines baskischen Départements aus – und damit gegen die seit der Französischen Revolution etablierte Ordnung, in der das Wörtchen „baskisch“ nirgends vorkommt.
Es war die dritte Bombe dieses Jahres im französischen Baskenland und die zweite im Zollamt der Kleinstadt Ustaritz. Zu dem Anschlag vom Januar bekannte sich Iparretarrak (Die aus dem Norden), das kleine französische Pendant zur spanischen ETA. Ob die Gasflasche, die in der Nacht von Donnerstag zu Freitag explodierte, wieder von der Iparretarrak stammte, war bis Redaktionschluß nicht bekannt.
Die kleine bewaffnete Organisation kämpft seit den 70er Jahren für ein unabhängiges und vereintes Baskenland, zu dem sowohl die vier spanischen Provinzen als auch die drei französischen gehören sollen. Unter anderem machte die Gruppe mit dem massenhaften Aufstechen von Autoreifen Kampagne gegen die Betonisierung der Küste und legte kleine Sprengsätze vor die Türen der Behörden. Doch der Gruppe werden auch Gewalttaten vorgeworfen. So sitzt ihr Mitgründer Philippe Bidart seit Anfang der 90er Jahre wegen Polizistenmordes im Gefängnis.
Eine administrative und politische Lösung des Baskenkonflikts ist nicht Iparretarraks Sache. Die Forderung zahlreicher Abertzales – wie sich baskische Patrioten in Spanien und Frankreich nennen – nach mehr Autonomie in den bestehenden Staatsgrenzen lehnen die bewaffneten Kämpfer ab. Doch genau auf diesem Gebiet der kleinen Schritte spielte sich in den vergangenen Tagen eine umwälzende Entwicklung ab.
Der Präsident des Regionalrates des Département Pyrénées-Atlantiques, zu dem gegenwärtig neben dem Baskenland auch das Béarn gehört, hatte sich Mitte Oktober eindeutig gegen Aufteilung des alten Départements ausgesprochen. François Bayrou, der zugleich Erziehungsminister in Paris ist, beschrieb sich zwar als leidenschaftlicher Liebhaber das Baskenlandes, warnte aber zugleich vor einer „Trennung, die schwächt“. Die Bürgermeister der Region, von denen die Mehrheit zu zentralistischen französischen Parteien gehört, sahen die Sache zu 60 Prozent anders. Mit dieser Meinungsäußerung könnten sie eine grundsätzliche Diskussion über die französische Baskenpolitik auslösen. Stellvertretend für viele Abertzales sei der Vizebürgermeister von Biarritz, Jakes Abeberry, zitiert, der zusammen mit einem liberalkonservativen UDF-Politiker den Badeort verwaltet. Abeberrys Traum ist seit den 60er Jahren ein vereinigtes und unabhängiges Baskenland. Sein Pragmatismus hat ihn auf einen anderen Weg geführt: die Integration aller Regionen in Europa und kleine Reformen in Frankreich.
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