: „Schwarze Schafe“ läppisch bestraft
Spektakulärer Prozeß gegen sieben Polizisten wegen Körperverletzung und illegalem Waffenbesitz endete mit Kritik des Richters an der Polizeiführung und ihren internen Ermittlungen ■ Aus Berlin Plutonia Plarre
Mit Freisprüchen und kleinen Geldstrafen endete gestern vor dem Berliner Landgericht ein Verfahren gegen sieben Polizisten. Es ist das harmlose Ende eines Stückes, daß vor zwei Jahren wie ein Krimi begann.
Im Sommer 1994 ritten 40 Kripobeamte in einen Polizeiabschnitt in Kreuzberg ein und durchsuchten die Spinde ihrer Kollegen von den geschlossenen Einheiten. Zu Tage kamen überraschende Dinge: Baseballschläger, Würgehölzer, Schlagringe, Messer, ein umgebauter Schreckschußrevolver und mit Plastikschienen verstärkte Handschuhe. Zudem fanden sie stangenweise unverzollte Zigaretten sowie Anzeigen und Durchsuchungsprotokolle, die nicht weitergeleitet worden waren.
Zehn Polizisten des 1. Zuges einer Hundertschaft wurden stundenlang verhört und anschließend vom Dienst suspendiert. Tags drauf eröffnete Polizeipräsident Hagen Saberschinsky (CDU) der erstaunten Presse, die Ermittlungen seien behördenintern in Gang gesetzt worden. Es handele sich bislang aber nur um einen „bösen Verdacht“ gegen die Truppe, man könne noch keine „runden Tatsachen“ präsentieren. Es gebe aber Anhaltspunkte, daß die Beschuldigten festgenommene Skinheads und einen Rumänen zusammengeschlagen hätten.
Der Skandal war perfekt. Schließlich ereignete sich der Vorfall just zu einer Zeit, in der es Meldungen über Mißhandlungen von vietnamesischen Zigarettenhändlern durch Polizisten nur so hagelte. Über 50 Ermittlungsverfahren waren bereits gegen Beamte anhängig. Dem Chef der 30.000 Mitarbeiter starken Polizeibehörde fiel dazu stets nur die Floskel ein: „In jedem großen Apparat gibt es schwarze Schafe.“
Inzwischen sind über zwei Jahre vergangen. Der Innensenator hat gewechselt, der Polizeipräsident ist geblieben. Die zahlreichen Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt sind fast alle eingestellt worden, weil stets Aussage gegen Aussage stand.
Die sieben beschuldigten Beamten des aufgelösten 1. Zuges aber kamen vor Gericht, weil die Staatsanwaltschaft „wegen der großen Bedeutung des Falls“ auf einer Anklage vor dem Landgericht bestand. Nach mehrtägiger Verhandlung wurden sie mit dem gestern gefällten Urteil von allen Vorwürfen im wesentlichen freigesprochen. Einzig die Beamtin, die einen Skinhead am Ohr gezogen haben soll, muß 1.200 Mark bezahlen. Ansonsten ergingen Geldstrafen bis zu 3.000 Mark wegen unbefugten Waffenbesitzes. Das Gericht sah die Aussagen der Angeklagten, die illegalen Waffen allein zu Trainingszwecken gehortet zu haben, nicht als widerlegbar an.
Das Gericht meinte ganz offen, daß Polizeispitze und Staatsanwaltschaft damals aus einer Mücke einen Elefanten gemacht hätten. Ohne die Pressekonferenz des Polizeichefs hätte das Verfahren „beim Amtsgericht erledigt“ werden können, meinte der Vorsitzende Richter Schulz-Manecke. Die Polizeiführung kritisierte er, daß sie 1994 zunächst interne Ermittlungen anstellte, bevor sie die Staatsanwaltschaft einschaltete.
Denn aufgrund vieler Gerüchte über üble Machenschaften des Zuges hatte der Polizeivizepräsident die leitende Kriminaldirektorin Ellen Karau beauftragt, „Licht ins Dunkel“ zu bringen. Karau hatte deshalb einen jungen Polizisten mit dem Auftrag in die Truppe versetzt, insgeheim Ermittlungen anzustellen. Erst als dieser Beamte über konkrete Mißhandlungen von Kollegen seines Zuges berichtete, wurde ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die belastenden Angaben des jungen Polizisten über Mißhandlungen der Skinheads und des Rumänen verwertete das Gericht nicht, weil unklar geblieben sei, „wer was wann wem genau berichtete“. Die Staatsanwaltschaft, „und niemand sonst“, sei Herrin des Ermittlungsverfahrens, so der Richter, der noch nach Prozeßende auf die „Zettelwirtschaft von Frau Karau“ schimpfte.
Karaus Zeugenaussage beeindruckte die Presse mehr als den Richter. Denn erstmals hatte ein hohe Kriminalbeamtin zugegeben, daß es bei der Polizei mehr gebe als nur ein paar einzelne schwarze Schafe. Sie nannte so viele, daß sie deshalb am Montag dem parlamentarischen Innenausschuß Rede und Antwort stehen muß.
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