: Ein Bürgerkrieg, der die Nation zusammenhält
■ Oppositionelle unterstützen die Armee Mobutus, die sie zuvor bekämpft hat
Ein Riesenreich, siebenmal so groß wie die Bundesrepublik, droht zu verfallen: Zaire. Ursachen dafür sind einerseits das Scheitern der zairischen Armee in den beiden östlichen Regionen des Kivu gegen die Tutsi-Rebellen der Banyamulenge und andererseits das Machtvakuum, das durch die Krankheit des zairischen Präsidenten Mobutu Sese Seko entstanden ist. Doch der Bürgerkrieg, der sich jetzt zu einem zwischenstaatlichen Konflikt mit Ruanda ausweitet, hat auch zu einem nationalistischen Aufbruch im Land geführt, der dieser Desintegration entgegensteuert.
Während der „große Leopard“, wie Mobutu genannt wird, wahrscheinlich seinen letzten Kampf in einer Klinik in Lausanne gegen den Krebs führt, haben die Tutsi- Rebellen der Banyamulenge die Stadt Kamanyola im Südkivu eingenommen, das Symbol der Tapferkeit des „Marschals“ Mobutu. Hier hatte er vor 32 Jahren an der Spitze seiner Truppe eine Brücke zurückgewonnen, die zuvor von den bis dahin als unbesiegbar geltenden Simbas eingenommen worden war. Deren Mythos brach er.
Sezessionsbestrebungen der Provinzen Katanga und Südkasai folgten. Mobutu selbst konnte eine Einigung des Riesenreiches nach seinem Putsch im Jahr 1965 erreichen. Das wurde ihm bisher zugute gehalten.
Der heutige Konflikt im Südkivu besitzt die Elemente eines Bürgerkriegs. Hier kämpfen die Banyamulenge, die zwar ruandischen Ursprungs sind, aber seit über 200 Jahren das Land besiedeln. Sie werden von Soldaten der ruandischen Armee unterstützt. Diese halfen ihnen, die Hauptstadt des Südkivu, Bukavu, einzunehmen. Die Banyamulenge sind aber nicht die einzigen, die kämpfen.
Die Mehrheit der Rebellen im Kivu gehört zu einer „demokratischen Allianz der Völker“, die von Laurent Kabila geführt wird. Kabila stammt aus der im Süden Zaires gelegenen Region Shaba.
Am Donnerstag hat sich Kabila gegenüber der Presse in Uvira im Südkivu (die Stadt wurde von den Rebellen letzte Woche eingenommen) als Sprecher einer Koalition der Allianz der demokratischen Kräfte für die Befreiung Zaires (AFDL) bezeichnet. Die AFDL vereinigt unter anderem die ADP und die PRPR, die Revolutionäre Bewegung für die Befreiung des Zaire, die von einem Mann aus der Ethnie der Bashi, die um Bukavu beheimatet sind, geführt wird. Mit von der Partie ist auch der Nationalrat des Widerstands für die Demokratie, geführt von André Kisase Ngandu, einen Mann aus der Region Kasai.
Kabila ist eine Legende: Der 50jährige ist der einzige Führer der Aufstände von 1960, der deren Niederschlagung durch Mobutu überlebt hat. Seine Widerstandsbewegung saß in den Bergen, 50 Kilometer südlich von Uvira. Sogar Che Guevara hat ihn 1967 dort besucht.
Kabilas Bewegung wurde 1985 von der zairischen Armee bei einer dreitägigen Belagerung der Stadt Moba aufgerieben. Der Rebell verschwand im Busch. Seine Gruppe tauchte dann am Ende der 80er Jahre im Nordkivu wieder auf.
Das Ziel der Allianz für die demokratische Befreiung des Zaire geht über die Forderung der Banyamulenge hinaus, lediglich die Staatsbürgerschaft von Zaire zu erhalten. Die Allianz will das Regime des Diktators Mobutu beseitigen. Die zairische Armee soll nicht mehr von Angehörigen der Ethnie Mobutus, den Ngbandi, dominiert werden – erst dann sollen die für das nächste Jahr geplanten Wahlen abgehalten werden.
Kabila könnte seine heutige Allianz mit den ruandischen Kräften aber teuer bezahlen. Der Großteil der Widerstandsgruppen in Zaire betrachtet den Bürgerkrieg im Kivu als einen Krieg zwischen Ruanda und Zaire. In ihren Augen hat die „Invasion der Banyamulenge“ nichts mit den früheren Sezessionsbestrebungen der Provinzen zu tun.
So sieht es auch Etienne Tshisekedi, Gallionsfigur der Opposition in Zaire und Hauptgegenspieler des Diktators Mobutu. Er hat die „Invasion“ der Tutsi-Rebellen verurteilt und seine Anhänger dazu aufgerufen, die zairische Armee moralisch und finanziell zu unterstützen. Bislang galt der Großteil der Armee als Widerpart der Demokratiebewegung, als Stütze des Diktators.
Der Bürgerkrieg im Kivu hat jetzt eine nationalistische, ja xenophobe Stimmung im Land ausgelöst. In Zaires Hauptstadt Kinshasa haben Studenten ihre Studienkollegen mit Tutsi-Ursprung vom Campus gejagt. Paradox: Der Bürgerkrieg im Kivu, der sich immer mehr zum Krieg mir Ruanda entwickelt – er eint die Zairer. François Misser
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