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Und die zweite Generation?

■ 32 Jahre türkische Migration in Berlin – Wie geht es weiter?

Was oder wer ist eigentlich die zweite Generation? Sind es die Söhne und Töchter türkischer EinwanderInnen, die mehr und mehr die Gymnasien und Universitäten absolvieren, sich von ihren Kommilitonen deutscher Herkunft nur durch Äußerlichkeiten unterscheiden, die in Vereinen und Parteien politisch agieren und sich aufgrund ihrer Bikulturalität selbstbewußt als Bereicherung des deutschen Einheitsbreis betrachten? Oder sind es diejenigen, die sich streng nach dem Vorbild der Eltern und Großeltern die Bewahrung religiöser und nationaler, sprich: türkischer Werte auf die Fahnen geschrieben haben? Und was ist mit den vielen, vielen dazwischen?

Eines haben sie alle gemeinsam: Die „Rebellion“ gegen die erste Generation wird nicht offen ausgetragen; sie wird verdrängt, man geht ihr aus dem Weg oder empfindet sie sogar als Schande. So werden kleine, eigene Vereine und Gruppen mit großen Integrationsansprüchen gebildet, die die eigenen Erfolge als Gradmesser für die Gesamtheit ansehen und dabei den Kontakt zur breiten Basis genauso verlieren wie ähnliche Gruppierungen der ersten Generation. Oder es werden religiöse, nationalistische oder rassistische Stimmungen aufgegriffen und durch gezielte Lobbypolitik im Interesse des eigenen politischen Aufstiegs funktionalisiert. Andere verabschieden sich einfach aus dem gesellschaftlichen Leben und flüchten in türkische Discos und Sportvereine.

Leider nur vereinzelt finden sich Vertreter ebendieser Generation in politischen Gremien und Parteien, wo sie sich ehrlich um ein Miteinander bemühen, Defizite auch in den „eigenen Reihen“ klar benennen und das eigene kleine Ghetto zu überwinden versuchen.

Welche dieser vielen Tendenzen der sogenannten zweiten Generation überwiegt und zum Tragen kommt, hängt auch davon ab, inwiefern dies als ein zweiseitiger Prozeß von allen Berliner „Generationen“ begriffen wird. Ein Warten auf die dritte Generation, auf den Lauf der Zeit, führt nur zurück. Man muß der jetzigen Generation ihre Chance geben, aber sie muß auch selbst diese Chance ergreifen. CLaudia Dantschke,

Ali Yildirim

Die Autoren sind Redakteure des Lokalsenders AYPA-TV

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