: Atomkraft entzweit Schleswig-Holsteins Grüne
■ Obwohl die Bündnisgrünen Schleswig-Holsteins auf ihrem Landesparteitag die rot-grüne Landesregierung stützten, ist die Partei in der Atomfrage tief gespalten
Husum (taz) – Mit einer knappen Zweidrittelmehrheit haben sich die Delegierten von Bündnis 90/Die Grünen in Schleswig-Holstein hinter die rot-grüne Koalition und deren Atomausstiegspolitik gestellt. Doch gestärkt ist die Öko- Partei nicht aus der Debatte auf der Landesdelegiertenkonferenz am Samstag in Husum herausgegangen. Koalitionsgegner wie Befürworter sprachen nach knapp einem halben Jahr rot-grünem Bündnis in Kiel von Scherbenhaufen, tiefen Rissen und Gräben im grünen Landesverband.
Es ging in der mehr als vierstündigen Debatte auch nicht um den wegen der Leukämieerkrankungen und dem Pfusch am Bau umstrittenen Atommeiler Krümmel, sondern um grüne Glaubwürdigkeit. Die Bundestagsabgeordnete Angelika Beer aus Neumünster brachte es auf den Punkt: Für sie sei jede Art von Instrumentalisierung eines Themas nicht hinnehmbar: „Wenn die Kritiker die Koalition mit der SPD beenden wollen, dann sollen sie einen entsprechenden Antrag einbringen, aber macht es nicht hintenrum“. Zwei gegensätzliche Anträge lagen den rund 100 Delegierten vor. Die Koalitionskritiker um die Landesvorstandssprecherin Antje Jansen forderten die grünen Regierungsmitglieder auf, die Zustimmung zum Wiederanfahren von Krümmel zu verweigern.
Die SPD hatte im Vorfeld angedroht, daß in diesem Fall die Koalition gefährdet sei. Mit einer Entscheidung, ob der Atommeiler wieder angefahren werden muß, wird diese Woche gerechnet. Krümmel ist seit Ende August wegen der Jahresrevision vom Netz. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hatte vor anderthalb Wochen aufgrund eines Eilantrages der Atomkraftgegnerin Renate Backhaus die Wiederinbetriebnahme zunächst für zehn Tage gestoppt. Der schließlich angenommene Antrag, eingebracht vom Landesvorstandssprecher Klaus Müller, sieht einen Ausstieg nach Recht und Gesetz vor. Grundlage ist ein Konzept, das die Stillegung langfristig zum Ziel hat. Das reichte den Koalitionskritikern nicht. Sie verwiesen in der hochemotionalen Debatte auf die zahlreichen Indizien, die gegen Krümmel sprechen, und pochten auf die grüne Glaubwürdigkeit.
Der grüne Energiestaatssekretär Willi Voigt dagegen betonte, eine reine Anhäufung von Indizien reiche für seine Behörde nicht zum Handeln. Dem eigentlichen Ziel, der Stillegung des Reaktors, nütze ein rein symbolischer Akt nicht. Fehlerhaftes Verwaltungshandeln führe nur zu verlorenen Prozessen.
Das Zittern bekamen die Koalitionsbefürworter noch einmal nach der Abstimmung, als der Brokdorfkläger Karsten Hinrichsen einen Ergänzungsantrag zum angenommenen Pro-Koalitionskurs einbrachte, der diesen umgedreht hätte. Hinrichsen beantragte, Krümmel so lange vom Netz zu lassen, bis alle Vorwürfe aufgeklärt sind.
Die erste Abstimmung ging denkbar knapp aus und wurde zweimal wiederholt. Nachdem der grüne Umweltminister Rainder Steenblock darauf hingewiesen hatte, das mit dem Antrag die Debatte durch die Hintertür wiederaufgemacht werde, fiel das Ergebnis wie gehabt aus: Eine knappe Zweidrittelmehrheit für die Koalition. Kersten Kampe
Siehe auch Portrait Seite 12
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