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Die halbe Portion kommt am Ende doppelt teuer

■ Die Postkommunisten in Rumänien und Bulgarien bekamen die Rechnung präsentiert: Die Wahlergebnisse vom Sonntag zeigen, daß die Menschen mit ihrer Geduld am Ende sind. Sie erwarten ernsthafte R

Die halbe Portion kommt am Ende doppelt teuer

„Halbe Reformen verursachen am Ende doppelte Kosten.“ Diese Formel des rumänischen Ökonomen Ilie Serbanescu könnte als Erklärung über den Wahlergebnissen in Rumänien und Bulgarien stehen. In beiden Ländern haben die Postkommunisten am Sonntag eine empfindliche Wahlniederlage hinnehmen müssen: in Rumänien bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, in Bulgarien bei der Stichwahl für das Amt des Staatspräsidenten.

Beiden Ländern im Südosten Europas ist eines gemeinsam: Die in ihnen (noch) herrschenden Postkommunisten betreiben eine Politik, in der sich eine Feindseligkeit gegenüber Wirtschaftsreformen mit einem absolut rudimentären Verständnis von Demokratie mischt. Ergebnis dieser Politik: wirtschaftliches Chaos, soziale Verelendung, Kontinuität von behördlicher Willkür und Machtmißbrauch.

Halbherzige Reformen haben bewirkt, daß Rumänien und Bulgarien sieben Jahre nach dem Sturz der Diktaturen in vielerlei Hinsicht wieder am Anfang oder sogar noch schlechter dastehen als Ende 1989. Der Unterschied: Viele Menschen sind mit ihrer Geduld am Ende, Verständnis und Hilfsbereitschaft aus dem Westen und von internationalen Finanzorganisationen haben nachgelassen, Gelder und eigene wirtschaftliche Ressourcen wurden verschleudert. „Doppelte Kosten“ eben.

Die Wahlergebnisse in Rumänien und Bulgarien zeigen das ganze Ausmaß der Unzufriedenheit mit dieser Situation. In Bulgarien hat der Präsidentschaftskandidat der Sozialisten die Stichwahlen mit 59,9 Prozent der Stimmen gewonnen und damit seinen Gegenkandidaten von den Sozialisten, der nur auf 40,1 Prozent kam, weit hinter sich gelassen. In Rumänien konnten die Parteien der demokratischen Opposition einen deutlichen Sieg erringen. Der „Demokratische Konvent“, ein Verband von christdemokratischen und liberalen Parteien, lag gestern nachmittag nach Auszählung von rund 13 Prozent der abgegebenen Stimmen mit 31 Prozent an der Spitze. Platz zwei belegte mit etwa 22 Prozent die regierende „Partei der sozialen Demokratie“, Platz drei das Oppositionsbündnis „Sozialdemokratische Union“ mit 13,5 Prozent. Danach mit etwa 6,5 Prozent der Verband der ungarischen Minderheit.

Auch bei den Präsidentschaftskandidaten zeichnet sich ein Sieg der Opposition ab. Der Kandidat des „Demokratischen Konvent“, Emil Constantinescu, lag gestern nachmittag laut Hochrechnungen mit 28,5 Prozent knapp hinter dem gegenwärtigen Staatspräsidenten Ion Iliescu mit 31,8 Prozent und vor dem Sozialdemokraten Petre Roman mit 21,4 Prozent. Bei den Stichwahlen, die am 17. November stattfinden werden, hat der Noch- Staatspräsident die schlechteren Chancen. Denn die Oppositionsparteien, die hinter dem Kandidaten des Konvents liegen, haben bereits angedeutet, daß sie ihre Wähler dazu aufrufen, für Constantinescu zu stimmen. Iliescu dagegen kann sich nicht allein auf die Stimmen von Nationalisten und Rechtsextremisten stützen, die auf etwa 9 Prozent kommen.

Im Falle Rumäniens hat die Absage an Iliescus postkommunistisches Regime exemplarische, geradezu historische Bedeutung. Rumänien ist das einzige Land Osteuropas, in dem die Exkommunisten nach 1989 kontinuierlich regierten. Der rumänische Noch-Staatspräsident war Anfang der siebziger Jahre ein Zögling des Diktators Ceaușescu, wurde aber von diesem als möglicher reformkommunistischer Rivale entmachtet. Iliescu hat sich von seiner paternalistisch-reformkommunistischen Mentalität bis heute nicht verabschiedet. Im Januar 1990, Tage nach dem Sturz Ceaușescus, plädierte er für eine „originäre Demokratie“. Zu einer solchen hat er Rumänien in den letzten sieben Jahren tatsächlich gemacht.

Seine „Partei der sozialen Demokratie“ ist eine politisch heterogene Oligarchie, in der sich hohe exkommunistische Funktionäre und Direktoren von Staatsbetrieben zusammengeschlossen haben. Zusammengehalten wird diese Oligarchie von dem Interesse, Rumäniens materielle Werte unter sich aufzuteilen: Korruptionsskandale, illegale Privatisierungsgeschäfte, behördlicher Schmuggel, Kooperation des Staatsapparats mit dem organisierten Verbrechen sind an der Tagesordnung.

Ähnlich sieht die „originäre Demokratie“ im politisch-zivilen Bereich aus: ein extremer Zentralismus, die bruchlose Übernahme von Gesetzen und Institutionen aus der Zeit der Diktator, personelle und strukturelle Kontinuität von Ceaușescus Sicherheitsapparat Securitate gingen in den vergangenen Jahren einher mit einer nationalistischen und minderheitenfeindlichen Politik, die dazu benutzt wurde, um von den realen sozialen und wirtschaftlichen Problemen abzulenken.

Dazu zählen in erster Linie ständige Preissteigerungen und sinkende Reallöhne und infolgedessen die dramatische Verelendung eines Großteils der Bevölkerung. Nicht einmal die drängendsten Probleme sind nach sieben Jahren in Rumänien gelöst: Was fehlt, sind beheizte Wohnungen im Winter und fließendes Wasser, die Lebensmittelversorgung ist nicht gesichert. Verantwortlich dafür ist eine Politik, die die großen unproduktiven Staatsbetriebe durch ungedeckte Staatskredite am Leben erhält. Ihre Schließung oder Privatisierung hat praktisch kaum begonnen, sie fressen weiterhin staatliche Ressourcen auf und heizen die Inflation an. Der Privatsektor konnte sich nur unter großen Anstrengungen einen Platz in der Wirtschaft erkämpfen – nicht mit Hilfe des Staates, sondern trotz Staatsbürokratie, trotz eines extrem hohen Steuerniveaus und ausufernder Korruption.

Unter ebensolchen Anstrengungen haben sich Ansätze einer Zivilgesellschaft entwickelt. Die unabhängigen Medien und regierungsunabhängigen Organisationen haben vor und während der Wahlen gegen Manipulierungs- und Fälschungsversuche bei den Ergebnissen aufmerksam gemacht und sind der Garant dafür, daß die Wahlen im großen und ganzen korrekt verlaufen. Auch das ist in Rumänien historisch: Es gab in diesem Jahrhundert in Rumänien kein einzige Wahl, die tatsächlich korrekt verlaufen wäre.

Noch-Staatspräsident Ion Iliescu und seine Partei haben diese „originäre Demokratie“ in den vergangenen Jahren immer wieder mit Attributen wie „sozial“, „sanft“ und „menschenfreundlich“ versehen. Schnelle und radikale Reformen wurden in demagogischer Manier als „wilder, barbarischer Kapitalismus“ abqualifiziert. Der bekannte rumänisch-amerikanische Politologe und Kommunismuskenner Vladimir Tismaneanu hat diese Politik mit der Formel „Amnesie und institutionalisierte Lüge als Therapie“ umrissen.

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