■ Vorschlag: Garantiert unbescheiden: Die Manic Street Preachers aus Wales im Loft
Vor einigen Jahren noch trauten sich britische Bands kaum aufs Festland – zu gesichtslos war der insulare Sound, als daß er auch nur ein hiesiges Kid die Welt neu bewerten lassen konnte. Nach der fettesten Pop-Eruption seit den Smiths und den Happy Mondays – die live beide eine Katastrophe waren – stellen sich die Briten momentan ständig mit ihren Gitarren und ihrem Glamour auf die europäischen Bühnen. Das funktioniert zum Teil blendend wie bei Pulp. Oder es geht, wie gerade bei Suede erlebt, fürchterlich in die Hose.
Die vorerst letzten im Bunde, die uns einen Besuch abstatten, sind die Manic Street Preachers. Aus Wales stammend, traten sie der schlafmützigen Britpop-Szene 1992 mit ihrem ersten Album „Generation Terrorists“ kräftig in den Hintern. Energisch war das, was die Waliser da fabrizierten, manchmal hart-, manchmal punkrockend und trotzdem melodiös. Und daß Punk nicht nur aus drei Akkorden bestand, wußten sie von den Sex Pistols. Nicht weniger wichtig als die Songs war ihnen die Konstruktion von Attitüden. Teenagerrevolten wollten sie anfachen, großkotzig, übermütig und eklig sein. Bescheidenheit war ihre Sache nicht, und die elegante Krönung waren Aphorismen literarischer und philosophischer Vorbilder, die jeden der Songs von „Generation Terrorists“ schmückten.
Mittlerweile haben die Manic Street Preachers allerdings selbst eins aufs Maul bekommen. Seit über einem Jahr ist ihr Cheflyriker Ricky James spurlos verschwunden. Nach einer Phase der Einkehr entschlossen sie sich, ohne ihn weiterzumachen, und inszenieren James' mysteriösen Abgang perfekt. „Everything Must Go“ heißt ihr neues Album, und hinter diesen Titel haben sie noch spekulativ und fragend eine Klammer ohne Inhalt gesetzt. Auf dem Cover und auch auf den Konzertplakaten sieht man bloß die Köpfe der drei anderen Bandmitglieder. Vermächtnis und Neuanfang zugleich, ist dieses Album – trotz ein paar Schleimfäden mehr in den Songs – nicht unbedingt die große Offenbarung vor den Gallagher-Brüdern. Doch von Läuterung und Zurückschalten kann bei den Manic Street Preachers auch ohne Ricky keine Rede sein – die Sau jagen sie immer noch effektiver als ihre Landsleute durch den Club. Gerrit Bartels
Heute, ab 20.30 Uhr, Loft im Metropol, Nollendorfplatz 5
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