: Ein Güterwaggon kommt ins Rollen
Winterhuder Schule errichtet ein „DENK-MAL“ wider das Vergessen ■ Von Christine Andersen
„Wenn man bedenkt, daß die Juden in eisiger Kälte in so einen Wagen gesperrt wurden, und ich stelle mich bei dem Regen schon an.“ Die 15jährige Christina Arndt, Schülerin an der Gesamtschule Winterhude, verkriecht sich unter dem Regenschirm ihrer Freundin. Vor ihrer Schule wurde gestern ein alter Güterwaggon aufgestellt – einer von der Bauart, wie sie in der Zeit des Nationalsozialismus für den Transport ins Konzentrationslager verwandt wurden. Der Wagen ist Teil des Projekts „DENK-MAL“, mit dem die Schule ein Zeichen setzen möchte gegen Intolleranz.
Angefangen hat alles vor über sechs Jahren. Damals, so erklärt Doris Heidhoff, Politiklehrerin an der Gesamtschule, „begannen Schüler die Geschichte unserer Schule während der NS-Diktatur zu erforschen und stießen dabei auf die Namen zweier Kolleginnen.“ Julia Cohn und Hertha Asmus-Feiner lehrten Anfang der 30er Jahre an der Winterhuder Schule in der Meerweinstraße. Bereits im Frühjahr 1933 wurden sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft entlassen. Julia Cohn wurde nach Riga deportiert und dort von den Nazis ermordet. Ihre Kollegin Hertha Asmus-Feiner starb auf dem Transport nach Auschwitz.
Das Schicksal dieser zwei Frauen gab den Anstoß zum „DENK- MAL“ – einem Gemeinschaftsprojekt von SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern und den KünstlerInnen Christine Schell und POM. Neben dem Güterwagen sollen noch weitere Elemente das Mahnmal ergänzen. Geplant ist etwa eine Arena, in deren Zentrum Skulpturen der Künstler stehen werden. SchülerInnen wollen das Rund der Arena in Holz oder Lehm gestalten. In der zukünftigen Arena, so erläutert Heidhoff, sollen später einmal Veranstaltungen stattfinden. Obwohl das „DENK-MAL“ bisher viel Zuspruch fand, würde sich die Lehrerin mehr Engagement seitens des Stadtteils wünschen.
„In einer Zeit zunehmender gesellschaftlicher Gewalt und Orientierungslosigkeit sehen wir in dem „DENK-MAL“ eine produktive und sinnvolle Möglichkeit für Jugendliche, politisch und künstlerisch aktiv zu werden“, heißt es in einer Infobroschüre der Schule. Auch die Schüler sind von dem Projekt angetan: „Es ist schon gut, daß man ein solches Denkmal aufstellt“, meint Nina Schütz aus der neunten Klasse, „aber es muß kraß für Juden sein, die jeden Tag daran vorbei gehen.“
Für seinen aktiven Umgang mit der Vergangenheit braucht das „DENK-MAL“-Projekt Geld. Rund 60.000 Mark soll die Installation insgesamt kosten. Diverse Firmenspenden reduzierten diese Summe zwar etwas, doch Spenden werden immer noch benötigt.
Spendenkontonummer 1152/213755, BLZ 200 505 50 bei der HASPA, Stichwort: Aart Pabst, „DENK-MAL“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen