Take a Walk on the Right Side

■ Bittersüße Wiederwahl des US-Präsidenten: Große Mehrheit für Clinton, aber der Kongreß gehört den Republikanern

Berlin (taz/rtr) – Der vierjährige Marsch von der linken Mitte zum rechten Populismus hat sich gelohnt: Bill Clinton ist mit überzeugender Mehrheit zum zweiten Mal zum US-Präsidenten gewählt worden. Er erhielt rund 50 Prozent aller Wählerstimmen, sein Herausforderer Bob Dole 41,5 Prozent. Im Jahr 2000 ist er das Präsidentenamt allerdings los, denn die Verfassung der Vereinigten Staaten läßt nur zwei Amtsperioden zu. Clinton ist der erste Demokrat seit Franklin D. Roosevelt (1933 bis 1945), dem der Wiedereinzug ins Weiße Haus gelungen ist.

Ganz sicher zum letzten Mal trat der gescheiterte Herausforderer Bob Dole als Präsidentschaftskandidat an: „Morgen wird es das erste Mal in meinem Leben sein, daß ich nichts zu tun habe“, sagte er. Dole hatte schon zuvor angekündigt, daß er sich im Falle einer Niederlage aus der Politik zurückziehen werde.

Clinton rief die Amerikaner auf, die Aufgaben der Zukunft anzupacken. „Wir haben eine Brücke ins nächste Jahrhundert zu bauen, und ich bin bereit dazu“, rief er auf einer Wahlparty in seiner Heimatstadt Little Rock in Arkansas am Morgen Tausenden jubelnden Anhängern zu. Er, der vor vier Jahren noch den wind of change versprochen hatte, bot den Republikanern gestern die Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg an. Möglicherweise könnten auch Republikaner in Clintons neues Kabinett aufgenommen werden, auch um im Haushaltsstreit zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. „Das erste wird sein, am Budget zu arbeiten“, sagte Cintons Stabschef Panetta, der für die Regierungsumbildung zuständig ist. Das neue Regierungsteam soll zum Jahresende feststehen. Bereits gestern kündigte Außenminister Christopher seinen Rücktritt an.

Der Wahlerfolg Clintons entsprach den Voraussagen, ebenso wie die Niederlage der Demokraten im Kongreß. Clinton sicherte sich 379 Wahlmännerstimmen, Dole nur 159. Andere KandidatInnen hatten keine Chance. Ralph Nader von den Grünen erreichte nur knapp drei Prozent, Milliardär Ross Perot immerhin acht. Die Wahlbeteiligung war mit 49 Prozent so niedrig wie seit 1924 nicht mehr.

Im Repräsentantenhaus mit 435 Sitzen erreichten die Republikaner mindestens 221 Sitze, die Demokraten kamen auf etwa 200. Im 100 Mitglieder zählenden Senat bauten die Republikaner ihre Mehrheit sogar noch um einen Sitz auf 54 Mandate aus. Bei den elf Gouverneurswahlen gewannen die Demokraten sieben Posten, die Republikaner vier. Insgesamt änderte sich an der Verteilung in den 50 Staaten nichts: 32 Staaten werden von den Republikanern regiert, 17 von den Demokraten.

Die Wiederwahl Clintons löste weltweite Zustimmung aus. Der Chef der EU-Kommission, Jacques Santer, äußerte sich überzeugt, daß die guten Beziehungen zwischen der EU und den USA fortgesetzt werden würden. Bundeskanzler Kohl schrieb in einem Glückwunschtelegramm an den „lieben Bill“, er freue sich auf eine weitere „enge und freundschaftliche Zusammenarbeit“. Frankreichs Präsident Chirac erklärte, Clintons zweite Amtszeit garantiere Frankreich und Europa einen Partner in den USA, der freundschaftlich und klarsichtig, kompetent und großmütig sei. Auch Rußland und China begrüßten Clintons Wiederwahl. Palästinenserpräsident Arafat erinnerte ebenso wie Israels Außenminister Levy an die „ausgezeichneten Beziehungen“ zu Clintons Regierung. Die internationalen Aktienmärkte reagierten weltweit mit zum Teil kräftigen Kursaufschlägen. klh Tagesthema Seiten 2 und 3, Debatte Seite 10