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Tiefrote Sparlandschaft

Die beiden letzten freien Kunstausstellungen kämpfen ums Überleben: die FBK wie auch der heute beginnende Kreuzberger „Querschnitt“  ■ Von Christoph Rasch

„Schon das Aufhängen der Bilder ist ein künstlerischer Akt.“ Tissi König-Muhle steht sozusagen knietief in der Kunst. Seit Mittwoch ordnet die Organisatorin der jährlichen freien Kunstausstellung „Querschnitt“ die Werke von 250 Kiez-Künstlern im Statthaus Böcklerpark. Von der flotten Zeichnung auf Papier bis zu riesenformatigen Ölbildern und Skulpturen ist quer durch die Kunststile und Thematiken auch im Jahr der Sparmisere eine buntgemischte Alternative zur „elitären Kunst der Galerien“ zustande gekommen, sogar mit Rekordbeteiligung.

Der neunte „Querschnitt“ ist gleichwohl der mit dem geringsten Etat. Nach Haushaltssperren und dem Weggang des Bezirksbürgermeisters und Förderers Peter Strieder in den Senat erhält die in Berlin mittlerweile einmalige, weil juryfreie, Verkaufsschau ohne Aufnahmekriterien, gerade 10.000 Mark vom bezirklichen Kulturbüro. Und überlebt damit, so scheint's, die „große Schwester unterm Funkturm“, die Freie Berliner Kunstausstellung, die bis jetzt 750.000 Mark jährliche Förderung vom Kultursenator erhielt.

„Eine von den 100 Millionen für den Hamburger Bahnhof fehlt uns jetzt“, klagt Karin Rech, die Vorsitzende der FBK (Gesamtkosten: jährlich 1 Million Mark). Wie alle Mitglieder arbeitet auch sie ehrenamtlich für die jährliche Ausstellung in Messehalle 9, wo man schon jahrelang an Beleuchtung, Innenausstattung, den Portokosten und sogar an der Versicherung der Exponate sparte. Auch das FBK-Büro sei, als mit dem Senat vereinbarter Sparkompromiß, bereits seit Wochen geschlossen. Man sei an der „untersten Spar- und Schmerzgrenze“ angelangt, mit weniger als der Dreiviertelmillion an staatlichen Zuschüssen könne und wolle man nicht arbeiten – und noch vor der nächsten Sitzung des Kulturausschusses Anfang Dezember strich Senator Radunski auch diese Gelder. „Die FBK ist faktisch tot“, so Frau Rech.

Von einer „ersatzlosen Abschaffung“ der FBK zu reden, sei falsch und bösartig, kontert der Kultursenator auf eine Erklärung der Künstlervereinigung „Rat der Künste“. „Unser Ziel ist es, Künstler zu fördern, nicht die Messebetreiber“, so Radunskis Pressesprecher Wallrabenstein. Rund 600.000 Mark gehen allein für Hallenmiete, Auf- und Abbau und Organisation der Ausstellung drauf, bestätigt auch die FBK, die aber gleichzeitig darauf hinweist, daß rund 250.000 Mark (ein Viertel der Gesamtkosten) durch Provisionen bei Verkäufen der Exponate wieder „eingespielt“ würden.

Die „25jährige Strukturlosigkeit“ der FBK gelte es zu entwirren, nur neue Sparkonzepte könnten den traditionsreichen Ausstellungsriesen mit rund 2.000 beteiligten Berliner Künstlern noch retten. Doch beide Kontrahenten scheinen wenig kompromißbereit.

Und trotz der festlichen „Querschnitt“-Vernissage in Kreuzberg, zu der heute rund 600 Gäste erwartet werden, hält sich auch hier die Euphorie in Grenzen, denn ob die geringen bezirklichen Mittel auch 1997 fließen, sei eher unwahrscheinlich, so eine Mitarbeiterin des Kreuzberger Kulturbüros.

Vernissage der Querschnitt-Ausstellung: heute ab 18 Uhr im Statthaus Böcklerpark, Prinzenstraße 1 in Kreuzberg (U-Bhf. Prinzenstraße). Offen bis 24. 11., Mo.–Fr. 15–21, Sa./So. 13–21 Uhr.

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