Karibik tiefgekühlt

■ Familiensache: Superstar Gloria Estefan gastierte in der Deutschlandhalle

Cuba si! Doch warum ausgerechnet in der muffigen Deutschlandhalle, mit ihrem Schlachthauscharme und ihrem breiigen Sound? Florida, du hast es besser. Angetreten mit einem zwanzigköpfigen, Orchester, das sich überwiegend aus Percussionisten und Bläsern zusammensetzte, begrüßte Gloria Estefan, der panamerikanische Superstar, unter anderem „all the Columbians in the house“. Währenddessen malten Strahler psychedelische Muster an die Wand.

Doch obschon ihre mit viel Human Touch gespickte Bühnenshow in ihrer routinierten Professionalität überzeugte und — mit einem kurzen Transvestiten-Gastauftritt etwa — manch überraschenden Akzent setzte: In dem tristen Allzweckbau wollten die Miami Vibes nicht so recht zünden. So blieb es größtenteils bei Karibik aus dem Kühlfach. Erst gegen Ende rieselte plötzlich dichter Konfettiregen von der Decke der Deutschlandhalle und erinnerte entfernt an Karneval, oder auch an den US-amerikanischen Wahlkampf.

Gloria Estefan ist ja bekanntlich in beiden Welten zu Hause: Die kubanische Migrantentochter aus Miami verbindet musikalisch Norden und Süden des amerikanischen Kontinents. Ihre höchst erfolgreiche Synthese von Salsa- Rhythmik mit dem US-Mainstream erzielte Verkaufsrekorde diesseits und jenseits des Great Fence und beweist damit ein beachtliches Integrationspotential. Vor rund zehn Jahren mit fröhlich- belanglosem Dance-Pop wie „Conga“ und „Rhythm is gonna get you“ erstmals in die US-Charts aufgestiegen, besann sie sich in den Neunzigern stärker auf das kubanische Element und räumte mit den beiden spanischsprachigen Alben „Mi Tierra“ und „Abriendo Puertas“ sowohl in der hispanischen als auch in der amerikanischen Öffentlichkeit groß ab. Seitdem wird sie in Spanien und Lateinamerika verehrt wie sonst nur Fußballidole.

Zur Tournee 96 präsentierte sie sich nun ganz als gereifte Entertainerin, als Mutter zweier Kinder und als glückliche Ehefrau: Gloria privat. Zum Song „Along Came You“, ihrer zweijährigen Tochter Emily gewimdet, blätterte sie uns sogar ihr Familienalbum auf der Großleinwand auf.

Und zum Finale, als sie zur offiziellen Olympia-Hymne „Reach“ ansetzt, kommt ihr 16jähriger Sohn auf die Bühne, um sie trommelnd zu begleiten. „It's a family affair“, sagt sie. Na gut. Daniel Bax