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Moderne Öfen fast öko

■ Der letzte Trend: Ein persönlicher Poabdruck in der Ofenkachel gegen Wärmeverluste

Wenn es in stürmischen Novembernächten furchtbar blitzt und donnert, zieht Gertrud M. ihren Morgenrock an. Sie mümmelt sich in ihrem grünen Wohnzimmersessel in einer Wolldecke ein und wartet. Stockdunkel ist es dann im ganzen Haus, das stumm und starr im Waller Fleetgebiet dem Wind trotzt. „Ich mache kein Licht an“, sagt die 91jährige. Nur wenn sie die weiße Klappe ihres emaillierten Kohleofens in der Küche öffnet, flackert ein heller Schein über ihr Gesicht. Dort heizt eine kleine bescheidene Glut das Wasser für die 40 Jahre alten Heizkörper auf. „Hätten wir doch damals bloß Öl gekauft.“

Acht bis zehn Prozent der Haushalte schmeißen jetzt in Bremen ihren Ofen an. „Man schätzt, daß soviele ungefähr noch immer mit Kohle oder Holz heizen“, weiß der Bremer Kohlenhändler Sven Beermann. „Ganz schön umständlich ist das“, findet die Frau aus Walle, die seit mehr als zehn Jahren allein in ihrem gelbgestrichenen Kaisenhaus lebt. Im Jahr 1952 setzte ihr mittlerweile verstorbener Mann Paul den neugekauften Ofen stolz auf das Fundament in der Küche. Dort steht er nun und wird jeden Morgen um acht von lästiger Asche befreit. Mit Kopftuch bedeckt geht Gertrud dann mit einem Kohleneimer vor die Tür und holt frische Briketts. In der ausgekühlten Küche brummt ein Heizlüfter. „Damit ich mich wenigstens im Warmen waschen kann.“ Schließlich zündet sie im freigekratzten Ofen neues Feuer an. Immer wieder muß sie Kohlen nachlegen, bis wohlige warme Luft langsam die Kälte der Nacht vertreibt.

Während die alte Frau mittags um 12 Uhr in ihrem mittlerweile aufgeheizten Häuschen sitzt, kann sich Karl-Heinz Hartje im „Ofenhaus“ in Colnrade kaum mehr vor neugierigen Kunden retten. Der Ofen ist dort längst zum elitären Möbelstück avanciert, „das man irgendwo hübsch in die eigene Wohnung integriert“.

Rund 2.000 Öfen werden in der Bremer Umlandgemeinde pro Jahr von ausgebildeten Ofenbauern per Einzelanfertigung zusammengebaut. „Das sind dann alles echte Unikate“, erklärt Hartje stolz. Vom stinknormalen Kohlenofen für 1.000 Mark bis zum Kaminofen für 30.000 Mark ist dort alles zu haben. Für „richtig Verrückte“ darf es dann auch mal was „ganz Ausgefallenes“ sein, „für solche, die ihre Erst-Ferienwohnung auf Sylt, die zweite oder dritte gar auf Teneriffa oder Mallorca haben.“ In diesen neuen deutschen „Kolonien“ nämlich soll auch ein Prachtstück norddeutscher Ofenbaukunst seinen Platz finden – um auch runde Hintern in kühlen Nächten zu wärmen. „Die können dann einen Poabdruck auf Wachs in Auftrag geben und dieser Abdruck wird dann so in die Ofenkacheln eingepaßt“, erklärt der Ofenverkäufer – die Kacheln können selbstverständlich aus Italien oder „der ganzen Welt sein.“

Doch so dekadent geht es nicht bei allen Ofenbesitzern zu. Der Trend zum zusätzlichen Wärmespender neben einer wohligen Zentralheizung hat auch Schornsteinfegermeister Sven Böckmann erreicht. In seinem Findorffer Reihenhaus steht ein alter Kanonenofen, „der war grünemailliert und den habe ich dann ganz schwarz angestrichen.“ Ofenverkäufer Hartje dagegen schwärmt für Kaminöfen, „aber geschlossene, weil die offenen echte Dreckschleudern sind.“ Nur mit Holz werden die gefüttert, „das hole ich mir selbst aus dem Wald oder kaufe es bei einem Forstbetrieb. Außerdem seien das ganz neue Modelle. „Die sind so schadstoffarm, als wenn man Holz im Wald verrottet.“ „Ein bißchen übertrieben“, findet das jedoch der Findorffer Schornsteinfeger, der sich als echter Ofenfreak ganz oft die Nase vor den Fenstern dänischer Ofenhäusern plattdrückt. Sicher spucken „die Neuen“ weitaus weniger Kohlendioxid aus: Sie sind mit einem „speziellen Luftansaugesystem“ ausgestattet und deshalb „fast schadstoffrei. Aber da kommt ja trotzdem noch was oben aus dem Schornstein raus.“

Grauer Rauch quillt bei der Kaisenbewohnerin aus dem rotgeziegelten Schornstein und vermischt sich mit düsteren Wolken im Novemberhimmel. Bald wird sie ein bißchen fernsehen und wieder Kohle nachlegen. „Der Ofen“, sagt sie, „der hält so lange, wie ich lebe.“ Katja Ubben

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