: Mission: Langsamkeit
■ Bremer Grüne suchten nach neuer Rolle
Mit Blumen und Turnschuhen sind sie dereinst in die Parlamente eingezogen, und den Unkenrufen der sozialdemokratischen Konkurrenz zum Trotz sind die Bündnisgrünen nach eineinhalb Jahrzehnten zur drittstärksten politischen Kraft herangealtert. Fast ohne Beispiel ist diese Karriere in der Geschichte des parlamentarischen Systems, doch hinter den Kulissen ist der Schampus abgestanden und grassieren Sorgen um Nachwuchs und Image zumal sich neuerdings die soziale Frage wieder stellt. Die Suche danach, welche kulturelle und politische Rolle die Grünen heuer und künftig spielen sollen und können, steht auf der Tagesordnung, und dort stand sie auch, als sich Aktive und Gefolge am Donnerstag abend im Neuen Museum Weserburg zur Debatte einfanden.
Zwischen Strickweste und Designer-Kostüm, zwischen politischem Alltagsgeschäft und Furcht vor der Themenverflachung lag der arge Weg zur Erkenntnis, daß das selbstgesteckte Ziel der Anfangstage, dem gemeinen Volk ein anderes und vor allem besseres Dasein vor-leben zu wollen, „etwas Zwanghaftes hatte“, so die Analyse der Bremer Bürgerschaftsabgeordneten Karin Krusche. Erst heimlich und dann immer selbstbewußter bekennt man sich nun zum (oh, Teutonia!) kulinarischen Genuß und sogar zum Kurztrip auf die Kanaren, selbst wenn das schlechte Gewissen im Jet mitfliegt.
Das theoretische Fundament zum Stimmungswandel trug der in Sachen Philosphie bewanderte Hamburger GAL-Fraktionschef Wilfried Maier bei. Demnach habe sich die Zappenduster-Theorie, nach der auf die kleine Sünde umgehend der Weltuntergang folgen müßte, rein empirisch als falsch erwiesen. Die Grünen seien zwar die erste Partei der Moderne, die statt der Entgrenzung die Grenzen (des Wachstums, des Fortschritts) in den Mittelpunkt gerückt hätte. Doch mit puritanisch-missionarischem Geeifere sei der Mißerfolg genauso vorprogrammiert wie mit politischer Repression. Maier setzt dagegen auf die TrendsetterInnen und postulierte: „Jede Beschleunigung und Entgrenzung der Moderne erhöht die Risiken. Freiheit wird geschaffen und zugleich in stärkerem Maß aufgehoben.“ Also: Schränke Dich ein und werde frei und glücklich. Darauf jedoch der Bremer Künstler Hermann Stuzmann: „Wir werden älter, und dann denkt man doch automatisch so?!“ ck
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