piwik no script img

Die Sanierung Bremens ist gescheitert

■ Bremer Finanzressort veröffentlicht deprimierendes Zahlenwerk /

Das ehrgeizige Ziel, die Sanierung der bremischen Staatsfinanzen, hat keine Chance. Bisher hat das Finanzressort diese Feststellung immer als eine bösartige „Irritation“ von Kritikern zurückgewiesen. Auf einer achtseitigen Hochglanz-Broschüre hat Finanzsenator Ulrich Nölle nun aber als „Finanzbericht 5'96“ selbst die Daten eines hypothetischen Modells zusammentragen lassen, die unweigerlich zu diesem Schluß führen.

Das Modell ist schlicht: Wenn in Bremen bis zum Jahre 2007 ca. 40.000 Arbeitsplätze neu entstehen, bringt das ca. 50 Millionen an Mehreinnahmen für die Bremer Staatskasse jährlich. 260 Hektar neuer Gewerbegebiete müßten dafür ausgewiesen werden. Wenn dies dazu führt, daß innerhalb der Landesgrenzen 55.000 Menschen mehr wohnen, bringt das ca. 300 Millionen jährlich. Es müßten 25.000 Wohnungen neu entstehen (Flächenbedarf: 460 Hektar).

Das Modell ist aus drei Gründen deprimierend: Erstens haben die meisten der Investitionsprojekte des „Investitions-Sonderprogramms“ (ISP) nur geringe Effekte für Bremens Wirtschaftskraft. Zweitens sind die Annahmen des Modells völlig utopisch angesetzt. Und drittens: Wenn ab 2007 jährlich nur 350 Millionen mehr in die Staatskasse kommen würden, wäre die Haushaltslage hoffnungsloser als heute.

Erstens: Wenn man die großen Investitions-Sonderprojekte des Landes Bremen auflistet, dann wird deutlich: Viele Arbeitsplätze werden dadurch – abgesehen vielleicht von der Baustellenphase – nicht neu geschaffen. Hemelinger Tunnel, Fischereihafenschleuse, Messehallen, Straßenbau, Linie 4 – Wirtschaftskraft bringt das direkt jedenfalls nicht. Die City-Projekte zeigen, daß „automatisch“ die Firmen auch nicht nachkommen: Für das Zentralbad greift nach drei privaten Pleiten nun der Staat tief in die (Musical-)Kasse; das Bahnhofs-Postamt steht leer; für das Siemens-Hochhaus hat sich kein kommerzieller Käufer gefunden, nun kauft es der Staat; für das Polizeihaus am Wall sind alle Experten skeptisch. Und so weiter. Der größte Ansiedlungserfolg der Bremer Wirtschaftsförderung, verriet diese jüngst, waren neue 70 Billig-Arbeitsplätze einer Fluggesellschaft für Telefonistinnen ... Wenn man demgegenüber die Folgen des Vulkan-Zusammenbruchs abzieht, darf bezweifelt werden, ob Bremen sich überhaupt am unteren Ende der Bundesprognose (plus 7.500 Arbeitsplätze bis 2007) halten kann.

Zweitens: Alle Regionalplaner gehen von stagnierenden Einwohnerzahlen der Großstädte aus – was wächst, ist das Umland der Metropolen. In den letzten Jahren hätte Bremen noch mehr Einwohner verloren, wenn nicht Kriegsflüchtlinge und Ausländer die Statistik „korrigiert“ hätten.

55.000 Einwohner, die keine Sozialfälle sind, sondern Steuern einbringen, setzen eine unglaublich attraktive Arbeitsmarktlage voraus.

Bremen hat derzeit aber eine Arbeitslosenquote von 15 Prozent. Bremer gehen weg, weil sie andern orts Arbeit finden. Die für das Modell angenommene Abeitslosenquote von 10 Prozent für 2007 ist ausdrücklich willkürlich gesetzt: „Für die Reduzierung der Arbeitslosigkeit ist daher eine Setzung vorzunehmen...“

Schließlich drittens: Selbst wenn Bremen ab 2007 wirklich die 350 Millionen Mehreinnahmen pro Jahr hätte, was brächte das? Rechnen wir das Modell in konstanten Preisen zu Ende: Derzeit fehlen im Bremer Staatssäckel pro Jahr 1,8 Milliarden; das würde sich auf „nur“ noch minus 1,45 Mrd. Jahr für Jahr reduzieren. Aber bis 2007 muß man zu den aktuellen 17-20 Milliarden Schulden noch die 4 Milliarden ISP-“Investitionen“, die auf Pump passieren, draufrechnen. Und dazu wären ab 1999 (oder ab 2001) jährlich die laufenden 1,8 Milliarden Defizit gekommen – im Jahre 2007 wäre Bremen also bei mindestens 35 Milliarden Staatsschulden. 350 Millionen Mehreinnahmen würden kaum ein Drittel der zusätzlich benötigten Zinslast abdecken. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen