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Hundertschaft der Polizei stürmt Wohnung

■ Ein Mieter und seine Gäste wurden anscheinend für Besetzer gehalten

Zwei gänzlich unterschiedliche Darstellungen gibt es zu einem Polizeieinsatz vom Mittwoch abend in der Gabriel-Max-Straße 12 in Friedrichshain. Nach Polizeiangaben hatten Beamte dort wegen ruhestörenden Lärms eine Wohnung aufgesucht. Die Anwesenden hätten jedoch Widerstand geleistet. Zwei Beamte seien durch Hundebisse verletzt worden. Acht „alkoholisierten Personen“ aus der Wohnung wurden für eine Blutentnahme vorübergehend festgenommen, die Musikanlage sichergestellt.

Soweit, so alltäglich für eine Meldung aus dem Polizeibericht. Doch die Betroffenen schildern den Abend völlig anders: Als die Polizei kurz nach 22 Uhr in ein geselliges Essen mit Freunden platzte, erzählt der Mieter Sascha E., habe auch er zunächst eine Anzeige wegen Ruhestörung vermutet und gleich angeboten, die Musik leiser zu stellen. Ohne auf sein Angebot einzugehen, hätten die Einsatzkräfte aber seinen Mietvertrag sehen wollen. E. hat mit der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (WBF) einen sogenannten Ausbaumietvertrag abgeschlossen, der ihn verpflichtet, die ehemals leerstehende Wohnung selbst instand zu setzen. „Aber ein Polizist behauptete einfach, der Vertrag sei ungültig und gab uns fünf Minuten Zeit, um die Wohnung zu verlassen“, erinnert sich E.

Die Polizisten hätten anschließend die Ausweise der verdutzten Gäste kontrolliert. Als die Beamten die Musikanlage mitnehmen wollten, sei es zu den Rangeleien gekommen. „Kurz darauf stürmte eine Hundertschaft der Polizei mit gezogenen Schlagstöcken die Wohnung“, berichtet der Mieter. E., und seine Gäste wurden zur Polizeiwache gefahren. Nach einer Blutentnahme kam E. erst gegen ein Uhr nachts wieder frei. „Die Wohnung war vollkommen verwüstet“, berichtet E. „Musikanlage und Fernseher sind weg, der Videorekorder wurde in eine Ecke geschmissen.“

„Die vermutete Neubesetzung hat sich nicht bestätigt“, lautete ein Funkspruch, den E. noch im Polizeiwagen mithören konnte. Die Gabriel-Max-Straße ist die Verlängerung der Kreutziger Straße, in der in der vorvergangenen Woche drei besetzte Häuser geräumt worden waren. Der Anwalt des Mieters kündigte Strafanzeigen gegen die Polizisten an. Gereon Asmuth

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