: Kündigung durch die Hintertür
Beim Personalabbau im öffentlichen Dienst sind betriebsbedingte Kündigungen jetzt doch möglich. Kündigungen im Max-Bürger-Krankenhaus als „Versuchsballon“ ■ Von Dorothee Winden
Durch die Hintertür will der Senat beim Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst jetzt doch betriebsbedingte Kündigungen zulassen: Einrichtungen des öffentlichen Dienstes, die Personalhoheit haben, sind an diese Zusage nicht gebunden, beschloß der Senat in der vergangenen Woche. Damit gilt der sozialverträgliche Personalabbau nur noch für die Bezirks- und Senatsverwaltungen sowie Polizei- und Justizapparat. Bis zum Ende der Legislaturperiode sollen 24.300 Stellen im öffentlichen Dienst wegfallen.
Was die neue Regelung für die Beschäftigten bedeutet, bekommen derzeit bereits 39 MitarbeiterInnen des bezirklichen Max-Bürger-Krankenhauses zu spüren. Weil ihnen ihr Arbeitsplatz nach der geplanten Privatisierung des bezirklichen Krankenhauses zu unsicher erschien, legten sie Widerspruch gegen den Wechsel zum neuen Arbeitgeber ein. Die Quittung kam prompt in Form einer fristlosen Kündigung – obwohl ihnen in einem Überleitungsvertrag ebendieses Widerspruchsrecht zugesichert worden war.
Die ÖTV hält die Kündigungen denn auch für „unrechtmäßig“. „Die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage sind außerordentlich hoch“, so ÖTV-Sprecher Ernst-Otto Kock. Die Personalratsvorsitzende des Charlottenburger Bezirksamtes, Brigitte Losch, wertete die Kündigungen als „Versuchsballon“. Vom Bezirksamt war gestern keine Stellungnahme zu erhalten.
Bei einer Personalversammlung in der vergangenen Woche forderten die Beschäftigten des Bezirksamtes Charlottenburg Bezirksbürgermeisterin Monika Wissel (SPD) auf, die Kündigungen zurückzunehmen. Zumal es sich bei vielen der Gekündigten um soziale Härtefälle handle. Es seien zwölf Schwerbehinderte darunter, die meisten seien über fünfzig Jahre alt und im Schnitt seit zwanzig Jahren im öffentlichen Dienst beschäftigt. Die Personalratsvorsitzende kritisierte zudem, daß den Gekündigten gar keine anderen offenen Stellen im öffentlichen Dienst angeboten worden seien. Durch den Druck des Personalrates sei es inzwischen gelungen, vier der gekündigten Kollegen anderweitig einzusetzen.
Wer den Wechsel zu einem anderen Träger ablehnt und damit auf dem alten Arbeitsplatz nicht mehr eingesetzt werden kann, kommt üblicherweise in den Personalüberhang. Von dort werden Beschäftigte dann auf eine freiwerdende Stelle versetzt.
Auch mit einem dreijährigen Kündigungsschutz ließ sich bei vielen Beschäftigten des Max-Bürger- Zentrums die Angst vor dem Trägerwechsel nicht ausräumen. Nicht zu Unrecht, wie ÖTV-Sprecher Kock meint: Das Krankenhaus soll in eine Pflegeeinrichtung umgewandelt werden. Dabei dürfte nach ÖTV-Schätzungen ein Viertel der Mitarbeiter überflüssig werden, denn der Personalschlüssel eines Pflegeheimes ist geringer als der eines Krankenhauses. Letztlich bietet auch ein Überleitungsvertrag nur eine Schonfrist.
Daß beim Personalabbau künftig ein schärferer Wind wehen könnte, befürchtet die ÖTV auch deshalb, weil Innenstaatssekretär Eike Lancelle den Bezirken und Senatsverwaltungen untersagt hat, mit der Gewerkschaft Überleitungsverträge zu vereinbaren. Für den Fall von Zuwiderhandlungen drohte Lancelle gar, die Verantwortlichen in Regreß zu nehmen.
„Derzeit werden gar keine Überleitungsverträge mit befristeter Jobgarantie mehr abgeschlossen“, stellt ÖTV-Sprecher Kock fest. In einem Fall habe das Neuköllner Bezirksamt beim Trägerwechsel einer Alteneinrichtung versucht, das betroffene Personal mit unverbindlichen Zusicherungen abzuspeisen. Dies habe der dortige Personalrat jedoch abgelehnt.
Um sicherzustellen, daß vom Personalabbau betroffene Mitarbeiter nur auf zumutbare Arbeitsplätze umgesetzt werden, strebt die ÖTV eine Vereinbarung mit der Innenverwaltung an. Innensenator Schönbohm habe einen Termin nach der Haushaltsklausur in Aussicht gestellt, sagte Kock. Jetzt müsse es „zeitnah“ zu Verhandlungen kommen.
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