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Abziehbild auf Stein

Im Museum der Arbeit können Interessierte den Flachdruck ausprobieren  ■ Von Christine Andersen

Die Walze rollt schmatzend auf der zähflüssigen Farbe hin und her, währenddessen wird die Kalkschieferplatte mit Wasser benetzt. Das zu druckende Motiv ist bereits auf den Stein gemalt, nun wird die Farbe erneut mit der Walze aufgetragen und bleibt dort haften, wo kein Wasser die fettige Farbe abweist. Ein großer Bogen Papier wird vorsichtig auf den Stein gelegt und auf das Motiv gepreßt.

Dieses Druckverfahren, der Steindruck, hat Tradition. Gestern wurde er im Hamburger Museum der Arbeit in Barmbek vorgeführt. Das Museum besitzt seit kurzem zwei Steindruckpressen: Eine Schnelldruckmaschine und eine Handkurbel-Reibepresse. Die Bundesbahn hatte dem Museum eine Steindruckschnellpresse von 1912 geschenkt, die bis in die neunziger Jahre genutzt worden war. Ein Hamburger Verlag stiftete die dazugehörige Handpresse, mit der feinere Farbnuancen gedruckt werden können als mit der Maschine.

Sie stammt aus der Steindruckerei Wilfert in Ostberlin, in der viele bekannte Künstler der DDR drucken ließen. „Wir feiern hier das Jubiläum einer 200 Jahre alten Drucktechnik,“ erklärt Jürgen Bönig, Leiter der graphischen Abteilung des Museums. Erfunden wurde der Steindruck, als 1796 der in Prag geborene Jurastudent und Schriftsteller Alois Senefelder Noten vervielfältigen wollte und dafür nach einem preiswerten Druckverfahren suchte. Zufällig benutzte er Kalkschiefer, der den Boden seiner Küche bedeckte. Er experimentierte damit und entwickelte den lithographischen Flachdruck. Dieses Verfahren bot gegenüber dem Hochdruck, den Johannes Gutenberg beim Buchdruck anwandte, den Vorteil, daß die Druckereien kein Blei mehr benötigten.

Mit der Erfindung der Steindruckschnellpresse entwickelte sich der Flachdruck zur Industrie. Die Preßmaschinen druckten bis zu 1200 Bögen pro Stunde und ermöglichten eine preiswerte Vervielfältigung von Musiknoten, Kunstreproduktionen und Abziehbildern. Auch Künstler wie Toulouse Lautrec druckten auf Stein. In Hamburg wurde der Flachdruck erstmals 1817 benutzt. Rund hundert Jahre nach der Erfindung der Lithographie gab es in der Hansestadt mindestens 126 Druckereien, die so vor allem Plakate für die großen Schiffslinien, Land- und Seekarten, Verpackungen und Etiketten herstellten.

Mitte des 20. Jahrhunderts löste das Offsett-Verfahren, eine Weiterentwicklung des Steindruckverfahrens, die Lithographie ab. Sie blieb aber bis heute ein künstlerisches Ausdrucksmittel – wenn auch außerhalb von Künstlerateliers nur noch in Museen zu betrachten.

Obwohl das Haupthaus des Museums erst am 5. Januar 1997 eröffnet wird, haben BesucherInnen bereits jetzt montags von 18 bis 21 Uhr die Möglichkeit, sich die Steindruckerei anzusehen. Ein Kursus im Februar wird die Grundlagen des Steindrucks vermitteln. Produktionen in der Druckerei sind nach Absprache möglich: Ansprechpartner ist Till Schröder unter

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