Auf der Passagierliste

■ Von Faradsch Sarkui fehlt immer noch jede Spur. Auch Bonn hat keine Infos

Berlin (taz) – Wo steckt der Passagier mit der Bordkarte für Sitz 35 F? Nach Informationen der taz hatte der am 3. November auf dem Flughafen Teheran verschwundene iranische Journalist und Literaturkritiker Faradsch Sarkui bereits eingecheckt – Name und Sitznummer standen auf der Passagierliste. Um 8.45 Uhr sollte er mit Flug 723 der Iran Air nach Hamburg starten, doch dort ist er nie angekommen. Seither fehlt von dem Chefredakteur der Literaturzeitschrift Adine jede Spur. Freunde fürchten, daß er vom iranischen Geheimdienst abgefangen wurde.

Adine ist eines der wenigen verbliebenen Foren kritischer iranischer Intellektueller. Gegen Sarkui (49) läuft seit dem 3. September in Teheran ein Gerichtsverfahren. Ein in Adine veröffentlichter Artikel über Mängel im staatlichen Bildungssystem veranlaßte Vertreter der Islamischen Republik, den Chefredakteur zu verklagen – Vorwurf: „Verbreitung von Lügen“. Fünf Tage nach Prozeßbeginn wurden Sarkui und 11 Schriftsteller verhaftet und mehrere Stunden festgehalten. Die Literaten hatte in einer Privatwohnung über die Wiederbelebung eines unabhängigen iranischen Schriftstellerverbandes beraten.

Zu einem ähnlichen Vorfall war es bereits am 28. August gekommen. Damals verhafteten iranische Geheimdienstler Sarkui und vier andere Schriftsteller in der Privatwohnung des Kulturreferenten der deutschen Botschaft, Jens Gust.

Die Bonner Vertretung in Teheran ist mittlerweile in die Nachforschungen um das Verschwinden Sarkuis eingeschaltet. Bis gestern hatte sie jedoch nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Bonn keinerlei Informationen über seinen Verbleib. In Bonn wandten sich gestern die ParlamentarierInnen Amke Dietert-Scheuer (Bündnis 90/Die Grünen), Freimut Duve (SPD), Andreas Krautscheid (CDU/CSU) und Irmgard Schwätzer (FDP) in einem Brief an Irans Präsidenten Rafsandschani und baten um Aufklärung über Sarkuis Schicksal. Thomas Dreger