: Arbeitsschutz bleibt europaweit
Europäischer Gerichtshof lehnt Klage der britischen Regierung ab. London wollte Mindestvorschriften für Arbeitszeit, Pausen und Urlaub verhindern. Nur die Sonntagsruhe muß weichen ■ Von Christian Rath
Berlin (taz) – Die Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union kann bestehen bleiben. Dies entschied gestern nach einer Klage Großbritanniens der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Die britische Regierung hatte der EU das Recht bestritten, Mindestvorschriften für Arbeitszeit, Pausenregelungen und Jahresurlaub zu treffen.
Den Briten ging es vor allem ums Prinzip. Jahrelang hatten sie jeglichen sozialpolitischen Fortschritt der EU blockiert, weil ohne ihre Zustimmung keine einstimmigen Beschlüsse möglich waren. Nur bei Regelungen zum Arbeitsschutz waren seit 1985 Mehrheitsabstimmungen vorgesehen. Als die anderen EU-Staaten im Maastrichter Vertrag die Mehrheitsabstimmungen ausweiten wollten, sagten die Briten „ohne uns“. Es kam zum Kompromiß: Alle außer Großbritannien arbeiten künftig im Rahmen eines Sozialprotokolls außerhalb der EU zusammen.
Ihre selbsterwählte Isolation sahen die Briten jetzt bedroht, weil die EU-Arbeitszeitrichtlinie 1993 nicht im Rahmen des Sozialprotokolls, sondern als Maßnahme für den Arbeitsschutz verabschiedet worden war. Damit galt sie auch in England. Der gewohnt integrationsfreundliche EuGH billigte dieses Vorgehen jedoch in seinem gestrigen Urteil. In Anlehnung an die fortschrittliche dänische Rechtstradition legte er den Begriff des Arbeitsschutzes weit aus und erhöhte damit die sozialpolitische Gestaltungskraft der EU.
Grund zum Jubel haben die Gewerkschaften allerdings nicht. Die Richtlinie ist im wesentlichen nur ein Schutz gegen Verschlechterungen und enthält eine Vielzahl von Ausnahmebestimmungen. In Deutschland mußte nur der gesetzliche Mindesturlaub von drei auf vier Wochen angehoben werden.
Lasch ist die Richtlinie vor allem im Hinblick auf die Wochenarbeitszeit. Die Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche muß lediglich im Schnitt von vier Monaten erreicht werden. Und selbst diese Regelung kann national ausgesetzt werden. Damit wollte man insbesondere den Briten entgegenkommen, denn auf der Insel arbeiten etwa 2,5 Millionen Menschen regelmäßig mehr als 48 Stunden pro Woche. Die britische Regierung reagierte – wahlkampfbedingt – dennoch wütend. Premierminister John Major sah bereits den deregulierten brtischen Arbeitsmarkt „in Gefahr“.
Ein Erfolg wurde den Briten gestern zuteil. Auf deutschen Druck hatte die EU festgelegt, daß längere Arbeitspausen grundsätzlich den Sonntag umfassen sollen. Laut EuGH stehen dahinter kirchenpolitische Motive. Sonntagsruhe ist nicht mehr EU-Vorschrift.
Kommentar Seite 12
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen