piwik no script img

Rauchen schadet. Das Rauchverbot auch?

■ Die Parteien in Bonn haben ein neues Feld entdeckt: das Nichtrauchen

Bonn (taz) – Es wird eng für die Raucher in Deutschland – der „Haß-Mann von Berlin“ (BZ) hat Bonn erobert. Die Mission von Bernd Köppl, Gesundheitsexperte der bündnisgrünen Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses: Die Republik braucht ein Passivraucher-Schutzgesetz. Zweimal in Berlin auf Landesebene damit gescheitert, hat er sich nun stärkeren Beistand gesichert, die Unterstützung der Bundestagsgrünen. Und gestern bekam er noch mehr Verstärkung: 136 Abgeordnete der CDU, FDP und SPD brachten zum gleichen Thema einen interfraktionellen Gesetzentwurf ins Parlament ein.

Köppl stellte den Entwurf eines „Nichtraucherschutzgesetzes“ (NRSG) am Dienstag gemeinsam mit dem Rechtspolitiker Gerald Häfner vor. Mit rauchiger Stimme trug der erkältete (!) Häfner vor einigen paffenden Journalisten seinen Entwurf vor. Wichtig darin ist: Es müssen „Nichtraucher-Schutzzonen“ am Arbeitsplatz, in öffentlichen Räumen und in Gaststätten mit über 50 Plätzen eingerichtet werden. Zwingend ist dies jedoch nicht, wo eine solche Maßnahme den Ruin der Gastwirtschaft bedeuten würde. Ausnahmen sind möglich, wo die Einrichtung einer Schutzzone einen „unverhältnismäßigen Eingriff in gewachsenes Brauchtum oder die Tradition des Ortes“ bedeuten würde, also im Münchner Hofbräuhaus – auch diese Lebensform muß es geben.

Ärzte sollen verpflichtet werden, den Eltern über gesundheitliche Schäden ihrer Kinder zu berichten, wenn die Schäden auf Passivrauchen zurückzuführen seien.

Die Zigarettenindustrie muß die Bevölkerung über die gesundheitlichen Schäden informieren, die durch ihr Produkt eintreten können. Kommt sie dieser Pflicht nicht nach, kann von der Industrie eine Abgabe erhoben werden: zehn Prozent ihres Werbeetats, zu zahlen an das Bundesgesundheitsministerium zur Finanzierung von Werbung gegen das Rauchen.

Öffentliche Plakatwerbung für Tabakerzeugnisse soll verboten werden, da sie vor allem auf Kinder „verführerisch“ wirke.

Wer als Raucher gegen diese Regeln verstößt, kann mit einem Bußgeld von bis zu 100 Mark bestraft werden. Wer sich als Arbeitgeber oder Gastwirt nicht an die ihn treffenden Regeln hält, soll zu einem Bußgeld bis zu 5.000 Mark verknackt werden können.

Der interfraktionelle Entwurf ist dagegen weniger scharf. In ihm fehlen die Bestimmungen zu den Ärzten, zum Abgabefonds und zur Plakatwerbung. Außerdem gibt es in ihm keine Pflicht, Schutzzonen in großen Gaststätten einzurichten: Der Gaststätten-Verband habe nämlich zugesichert, eine Kampagne zur freiwilligen Einrichtung dieser Zonen zu starten. So fände ihr Entwurf mehr Unterstützung, sagte Uta Titze-Stecher (SPD), die diesen Entwurf mit erarbeitet hat.

Wird einer der beiden Entwürfe oder ein gemeinsamer im Bundestag Erfolg haben? Das wird den Politikern zufolge auch davon abhängen, ob über die Medien genug Druck entsteht. Köppl appellierte deshalb an die Journalisten, fair über die Initiative zu berichten. Schließlich sei die „fast geschlossene Front in den Redaktionsstuben“ gegen seine Pläne das „größte Problem“ bei deren Durchsetzung. Denn „telefonieren, Streß und rauchen“ gehörten wohl zum „Berufsbild“ der Journalisten. Stimmt.

Philipp Gessler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen