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Klassik

Kompositionen von Peter Ruzicka und Allan Pettersson, eingespielt von Gerd Albrecht und Ruzicka selbst, auf CD

 Immer wieder kommt es zu Begegnungen mit Komponisten, die den Hauptlinien zeitgenössischer Musik ferngeblieben sind. Allan Petterssons Musik befindet sich seit gut 10 Jahren im Visier einer agilen Entdeckercrew, die einen der großen Symphoniker des 20. Jahrhunderts ins philharmonische Tageslicht stellen möchte. So wurden, als Peter Ruzicka und Gerd Albrecht 1988 die Leitung der Hamburgischen Staatsoper übernahmen, Petterssons Symphonien zur Chefsache erklärt. 1991 und 1994 dirigierte Albrecht die 7. und 8. Symphonie des Schweden, die er mit den Hamburger Philharmonikern auch auf CD eingespielt hat, 1996 wird Peter Gülke die schroffe 9. Symphonie in Hamburg vorstellen.

Die zweiteilige Symphonie No. 8 (Orfeo C 377 941 A), die kürzlich erschien, ist ein symphonischer Gesang von monströser Traurigkeit und abgrundtiefer Verzweiflung. Anders als in den späten Symphonien orientiert sich dieses Werk an einem melodischen roten Faden, der nach Phasen symphonischer Eskalation – ähnlich wie bei Mahler – zurück zum inneren Monolog führt.

Seit Herbst 1994 und noch bis Ende Mai dieses Jahres wird in Nordrhein-Westfalen ein aufwendiges Festival zu Ehren des vergessenen Schweden veranstaltet, das so gut wie alle wichtigen Werke Petterssons aufführen läßt. Zu Gast auf diesem Festival war auch Hamburgs Staatsopernintendant Peter Ruzicka, der am 22. März Petterssons 15. Symphonie in Duisburg dirigierte. Mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin hat Ruzicka dies Werk auch eingespielt (CPO 999 095). Petterssons 15. Symphonie (1978) ist ein Anhaltspunkt, vielleicht ein Endpunkt im komplex-unüberschaubaren Wildwasser der großdimensionalen Symphonien Nr. 9-14.

Auch für den Komponisten Ruzicka ist Petterssons Oeuvre zu einem zentralen Motiv seiner Arbeit geworden. Seine eigenen 1991 entstandenen vier Orchesterskizzen ... das Gesegnete, das Verfluchte, die er als Pettersson-Requiem versteht, hat er deshalb nicht unlogisch im selben Waschgang auf dieser CD aufgenommen. Es ist symbiotische Musik, denn in Petterssons Musik spiegelt sich die eigene musikalische Welt Ruzickas, verweilt dort für einen Moment, um gleich wieder unterzutauchen. Ruzickas Orchesterwerk nimmt die Gestalt scharf konturierter Erinnerungen an, die wie unheimlich frostige Bild-Sequenzen das Augenmerk auf bestimmte Pettersson-Aspekte lenken. Symphonische Bilder, die an den Rändern unscharf werden.

In seinen stärksten Momenten klingt Ruzickas Musik wie eine ästhetische Bestandsaufnahme, eine irritierend genaue Zusammenfassung des Petterssonschen Kosmos. Äußerst präzise Meta-Musik, die nicht in einem sentimentalen Klima steckenbleibt, sondern mit der Nüchternheit eines Röntgenstrahles eine Musik von schockierender Resignation durchleuchtet, absucht nach Symmetrien, die das eigene künstlerische Sein widerspiegeln.

Eine bei Dabringhaus und Grimm erschienene CD (MDG 625 0549) gibt Einblicke in nahezu 35 Jahre seiner kompositorischen Arbeit. Im Focus dieser CD steht ausschließlich Ruzickas Kammermusik. Introspecione – „Dokumentation für Streichquartett“ wird vom Komponisten als die „Dokumentation von Bewußtseinszuständen eines kontrollierten psychedelischen Erlebnisses“ bezeichnet. Unter ärztlicher Kontrolle soll Ruzicka Drogen eingenommen haben, die ihm ein bewußtseinsgeweitetes Wahrnehmungsvermögen ermöglichten.

Natürlich ist Introspecione keine drogenselige Vision schwebender Klänge und milchiger Klangschleier als vielmehr eine sinnengeschärfte Auslotung von Klängen, die sich auf der Schwelle zur Stille befinden. Stille (1976), so auch der Titel einer weiteren Solokomposition, gestaltet aphoristisch das Verklingen bis hin zur geräuschhaften Geste. Das Moment zwischen noch hörbarem Ton und erreichter Stille ist ihr Gegenstand. In der Musik für Klavier solo dominiert die angedeutete Geste, die wie ein autobiographischer Gedanke herumtreibt. Die „Drei Nachtstücke für Klavier“ Ausgeweidet die Zeit... (1971) – Solist der Uraufführung war übrigens Justus Frantz – und die Préludes (1987) sind Beispiele einer „musica negativa“, die die Unmöglichkeit des Komponierens in einer rigiden Materialbefragung beispielhaft erläutert. Sven Ahnert

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