Nachruf auf Tobias Gruben

An einem windigen Ort steht ein schmaler Bursche, dessen Profil die Kamera heranzoomt. Von der Seite wirkt sein Gesicht wie eine Abbildung aus dem Gymnasialgeschichtsbuch Zeiten und Menschen, die die Büste von jemand zeigt, der sich vor Christi Geburt über die Gesetzgebung und die Vorfälle in einer griechischen Polis schriftlich niedergelegte Gedanken gemacht hat. Das klassische Profil gehört zu dem in Griechenland aufgewachsenen Sänger Tobias Gruben. Gruben steht vor dem Objektiv des Regie führenden guten Freundes Peter Sempel, der ein Video zu einem Song von Grubens Band Die Erde plant.

Als Gruben Anfang der 80er Jahre in Hamburg eintraf, formte er als Sänger die Gruppe Cyan Revue mit, welche etwa ab '83 mit Ekstase und hakeliger Gross-Art aus der etwas ratlosen Zeit nach dem Ende von Punk herausdrängte. Von heute aus gehört, klingen Cyan Revue nach einer sehr guten Wave-Kapelle, die sich viel Arbeit mit der „Intensität“ und einem hackenvollen, musikalischen Symbolismus macht.

Am Ende des Jahrzehnts verabredet sich Gruben, hinter dem jetzt die Mitarbeit bei dem impulsiven Kultur-Unternehmen Recordvox liegt, mit dem Bassisten Horst Petersen zur Gründung der ersten Version der Gruppe Die Erde. Der Sänger klingt jetzt erschütternd und mitreißend gleichzeitig. Hier intonierte jemand nicht nur um sein Leben, sondern um die Notwendigkeit, das Leben zu überhöhen, damit es seine ganze Anschaulichkeit erhält. Gruben beschreibt singend einen tollen, weitschweifenden Klangradius. Seine Band rockt dazu im ganz großen Stil oder verschwört sich tragisch bis dramatisch. Das klingt majestätisch heavy und nur ab und zu wie von einem Sockel heruntergespielt.

In den vergangenen beiden Jahren hat Gruben säckeweise neue Lieder geschrieben und stellte seine bis dahin aufregendste Gruppe wieder unter dem Namen Die Erde zusammen.

„Die Band ist nicht die gleiche, aber die Idee ist dieselbe“, kündigte Gruben ihr Live-Debut am 12. September in Hamburg an. Sicher und gut aufgelegt führte er durch das Konzert.

In der Nacht von Freitag auf Samstag vorvergangener Woche ist Tobias Gruben an einer unverträglichen Dosis Heroin gestorben. Gestern ist er in Starnberg beerdigt worden.

Kristof Schreuf