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An den Rand gedrängt

■ Ausstellung zur Geschichte Hamburger Notunterkünfte

Bei einem Foto der Barackensiedlungen neben der Schiffswerft Sietas in Hamburg-Cranz muß man zweimal hinschauen. Ist es nun 1995 aufgenommen worden oder schon 1945? Fünfzig Jahre Notunterkünfte in Hamburg, und viel hat sich anscheinend nicht geändert. Petra Vollmer, Mitorganisatorin der Ausstellung Zur Geschichte von Wohnlagern in Hamburg 1930 bis 1995 – zwischen Zwangsunterbringung und Notunterkunft verweist auf die Kontinuitäten: „In erster Linie wurden und werden AusländerInnen und Obdachlose durch ihre Wohnverhältnisse von der hiesigen Sozialpolitik diskriminiert und an den Rand gedrängt.“ Ausgrenzung habe es immer gegeben: „Egal in welchem Jahrzehnt – nur mit anderen Mitteln“.

Seit gestern läuft die Ausstellung im Kölibri. Von Wohnbaracken für ZwangsarbeiterInnen- bis hin zu denen von ArbeitsemigrantInnen und Containersiedlungen für Flüchtlinge werden Unterbringungsmodelle aus 65 Jahren gezeigt. Die Ausstellungsgruppe, bestehend aus der Initiative Bleiberecht und der Projektgruppe für die vergessenen Opfer des NS-Regimes in Hamburg, hat reichhaltiges Text- und Bildmaterial zusammengetragen.

Auf Stelltafeln werden unter anderem Grundrisse der deutschen Normbaracke aus den NS-Zeit, Pläne von zu Lagern umgebauten Tanz- und Theatersälen, Aussagen von ZeitzeugInnen und amtliche Unterlagen dokumentiert. Die einzelnen Schwerpunkte spiegeln die Geschichte der Hamburger Wohnungs- und Sozialpolitik: die sogenannten Judenhäuser der Warburg-Stiftung an der Bundesstraße 43 oder die Displaced Person Lager (Lager für befreite ZwangsarbeiterInnen und ehemalige KZ-Häftlinge) in Alsterdorf oder Lokstedt. Aber auch: „Gastarbeiter-Wohnheime“ in Osdorf und die noch bewohnten Barackensiedlungen in unmittelbarer Nähe der Sietas-Weft.

Besonderes Anschauungsobjekt: der Hamburger Stadtteil Billbrook. Ein Ort, der von Industrie und Gewerbebetrieben dominiert wird, wo über die letzten 60 Jahre die unterschiedlichsten Varianten von lagerähnlichen Unterbringungsmodellen durchexerziert wurden. Markus Götte

Die Ausstellung ist bis zum 21. April im Kölibri, Hein-Köllisch-Platz 12, jeweils von 8 bis 14 Uhr geöffnet. Führungen sind montags und donnerstags zwischen 17 und 19 Uhr.

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