: Richtige Richtung
■ DGB: Gestärkt durch die Programmdebatte
Die Gewerkschaften sind wieder da. Nach Jahren der ritualisierten Scheingefechte schicken sich die Helden der Arbeit an, im offenen Zwist die dringendsten Zukunftsfragen zu diskutieren. Erstmals seit Jahren ist es wieder spannend, das Ringen um neue Konzepte zu verfolgen. Das war beim Bundeskongreß des DGB in Dresden nicht anders als ein paar Tage zuvor beim Treffen der IG-Metall-Vertrauensleute in Sprockhövel.
So finden die interessantesten politischen Debatten plötzlich wieder in Gewerkschaftshäusern statt. Die Universitäten sind politisch tot, die Parteien diesseits der CDU unfähig, eine Reformpolitik zu konstituieren. Dies mag dazu beitragen, daß sich plötzlich die Hoffnungen von Millionen von Menschen wieder auf die Kraft einer sich revitalisierenden Gewerkschaftsbewegung richten.
Der Wandel kam rasch. Noch während der Demonstrationen zum 1. Mai schien der über neun Millionen Mitglieder starke Koloß ziemlich am Boden. Doch schon ein paar Wochen später belehrten 350.000 Demonstranten in Bonn alle Gewerkschaftsskeptiker eines Besseren. Und inzwischen – vor allem durch den Angriff auf die Lohnfortzahlung – machen Millionen Menschen, die nichts weiter zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft, die sinnliche Erfahrung, daß die Vertretung ihrer Interessen einer kollektiven Organisation bedarf: einer Schutzmacht gegen das Kapital.
So scheint die Offensive der Neoliberalen, die den Besitzlosen suggerierten, sie müßten sich beim Verkauf ihrer Arbeitskraft nur den Regeln der Warenmärkte unterwerfen, um in Arbeit und Brot zu bleiben oder zu kommen, langsam ins Stocken zu geraten: von der Wirklichkeit als pure Ideologie bis zur Kenntlichkeit entstellt.
Grund für zuviel Optimismus besteht für die Gewerkschaften trotzdem nicht. Die Gleichung, je schlimmer die Verhältnisse, um so größer der Widerstand, geht längst nicht immer auf. Ein Blick nach Großbritannien schützt vor dieser Illusion. In Dresden haben die Gewerkschaften den Versuch gemacht, die programmatische Alternative zum neoliberalen Katastrophenkurs zu formulieren. Daran kann man gewiß viel kritisieren, aber die Richtung stimmt. Walter Jakobs
Tagesthema Seite 3, Debatte Seite 10
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen