: Die Brüsseler Gießkanne
■ Wenn EU-Fördermittel aber künftig nach Wirtschafts-kraft vergeben werden, drohen in Bremen Einbußen
Ginge es nach Karel van Miert, dem Wettbewerbskommissar der Europäischen Kommission, dann wäre die Großzügigkeit Brüssels gegenüber Bremen bald vorbei. Noch ist Bremen das Bundesland, das am stärksten von der EU-Hilfe profitiert. Van Miert möchte aber den Wert aller in einer Region produzierten Waren und Dienstleistungen zur Grundlage der EU-Förderung machen. Bremen gehört nach diesem Kriterium zu den reichsten Ballungsräumen Europas. Derzeit läuft die Förderung aber nach der Höhe der Arbeitslosigkeit – und da liegt das Land Bremen ganz vorne im westlichen Deutschland.
Aber nicht nur über ihr eigenes Geld befindet die EU, sondern auch darüber, wie der Bund Bremen unterstützen darf. Bei Van Mierts Behörde liegt ein Förderplan des Bundes aus der Gemeinschaftsaufgabe (GA) „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ vor, der für Bremen 27 Mio. Mark bis zum Jahr 2000 vorsieht. Eine endgültige Entscheidung über die Bundes-mittel könnte also erst im kommenden Jahr fallen. „Die 27 Millionen aus Bonn hat Bremen aber schon so gut wie sicher“, beschwichtigt der Institutsleiter beim Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung (BAW), Peter Frankenfeld.
Innerhalb der Bremer Strukturförderung spielt die GA jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Der Löwenanteil kommt von der Europäischen Union. Bis zum Jahr 2000 gut 300 Millionen Mark aus dem Europäischen Fonds zur regionalen Entwicklung (EFRE) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF). „Damit ist Bremen Meister in der Drittmittelaquirierung“, sagt Frankenfeld nicht ohne Stolz.
Noch gilt das Land Bremen und insbesondere Bremerhaven als Region, „die von rückläufiger industrieller Entwicklung schwer betroffen ist“, wie es im Amtsdeutsch heißt. Folge ist hohe Arbeitslosigkeit. Letztlich dienen also alle von der EU geförderten Projekte einem Ziel: der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Der BAW errechnet einen Arbeitsplatzeffekt der von der EU mitfinanzierten Projekte von 13.500 Stellen. Ohne die EU-Hilfen müßten zahlreiche Projekte gestrichen werden.
Das Schaufenster Fischereihafen in Bremerhaven etwa soll sowohl die Wirtschaftsstruktur verbessern als auch Leute in Lohn und Brot bringen. Das Projekt wurde daher sowohl mit EFRE- als auch mit ESF-Mitteln in Höhe von insgesamt 17 Mio. Mark unterstützt: 16 Männer und Frauen werden im Einzelhandel zu FischfachverkäuferInnen ausgebildet. Alles Langzeitarbeitslose, die früher in der Fischwirtschaft angestellt waren.
Das JugendkutterWerk in Vegesack wird unter anderem aus Mitteln des ESF finanziert. Die kleine Werft hat sich auf modernen Holzbootsbau spezialisiert. „Als gemeinnütziger Verein dürfen wir keinen Gewinn machen und sind deshalb von der jeweiligen regionalen Arbeitsmarktpolitik abhängig“, sagt der Mitarbeiter Peter Küchler. Im JugendkutterWerk arbeiten derzeit etwa 80 Menschen. Davon sind 45 ABM-Kräfte oder durch das Sozialamt vermittelte Azubis.
Nach 1999 könnte sich nicht nur durch neue Förderkriterien vieles ändern. Außerdem steht in den kommenden Jahren die Ost-Erweiterung der EU an. Dann muß der warme Regen aus Brüssel neu verteilt werden. Gegenwärtig kommen direkt oder indirekt noch 40 Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik in den Genuß von EU-Fördermitteln. Im europäischen Durchschnitt sind es 50,6 Prozent. „Dieses Gießkannenprinzip soll aufgegeben werden“, so Elke Vosteen vom Bonner Büro der Europäischen Kommission.
Orientiert sich die EU auch weiterhin an der Arbeitslosigkeit als maßgeblichem Indikator für die Strukturförderung, wird Bremen auch über das Jahr 1999 hinaus viele EU-Millionen erhalten. Die Bremer Bürgerschaft strebt genau das mit ihrem jüngst verabschiedeten Forderungskatalog an die Europäische Kommission an. johe
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