: Unterm Strich
David Cronenbergs Film Crash löst auf dem Londoner Filmfestival heftigen Streit aus. Zensurrufe wurden laut. Während sich das Publikum auf die Karten stürzte, war mancher Filmkritiker entsetzt. Nigel Reynolds vom „Daily Telegraph“ wetterte: „Der Film ist moralisch geistlos, ekelhaft, gewalttätig und wenig mehr als eine Entschuldigung, um eine Sexszene an die andere zu reihen.“ Cronenberg, der in Frankreich und Deutschland eher gelassen kommentiert wird, wehrte sich gegen den Vorwurf, Gewalt zu verherrlichen, und hält die Briten für „zu puritanisch“. Noch hat die Filmbewertungsstelle über die Freigabe zu entscheiden. Doch Kultusministerin Virginia Bottomley drängte schon vorher die für Londons West End zuständige Bezirksverwaltung Westminster Council, „Crash“ zu verbannen.
Eine Feier zum 60. Geburtstag von Wolf Biermann gab es am Freitag abend im Hamburger Schauspielhaus. Zu den Geburtstagsgratulanten zählten Hamburgs Kultursenatorin Christina Weiss und WDR-Intendant Fritz Pleitgen. Bei dem Konzert erzählte Biermann in 24 Liedern sein „Süßes Leben – saures Leben“. Stehend applaudierte das Publikum, der „ungewohnt gerührte“ (dpa) Liedermacher gab mehrere Zugaben.
Die Ausbürgerung Biermanns war nach den Worten des früheren Präsidenten des DDR-Schriftstellerverbandes Hermann Kant „im Grunde schwachsinnig“. Ganz neuer Sound! In einer Fernsehsendung des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg sagte Kant am Samstag abend: „Man wollte zeigen, uns kann keener. Vor uns geschützt ist niemand, wenn er sich entsprechend benimmt.“ Das war Kants Antwort auf die Frage der Moderatorin, warum das Exempel ausgerechnet an jemandem statuiert worden sei, der Jude, Kommunist und Sohn eines „Märtyrers“ war. „Das war Laienpolitik“, fügte Kant nachsichtig hinzu.
Was seine eigene Rolle in diesem Kapitel angehe, wolle er kein Mitleid, meinte Kant. „Aber selbstverständlich haben auch Leute meiner Couleur dabei zu zahlen gehabt. Weil man Teilnehmer an Literatur war und die Literatur gedeckelt worden ist, hat man seinen Teil abbekommen.“ In Kants Amtszeit wurden 1979 acht DDR-Autoren aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen – und zwar ohne daß größere Mißfallensbekundungen des Vorsitzenden zu verzeichnen gewesen wären.
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