: Das Höllentor ist offen
■ Kieler Ministerin plant Haschischfreigabe
Jetzt also doch! Die rot-grüne Regierung in Schleswig-Holstein, in den vergangenen Monaten vor allem mit koalitonsinternem Gezänk beschäftigt, wagt den ersten Schritt zur Legalisierung weicher Drogen. Sozialministerin Heide Moser (SPD) stellt heute im Kieler Kabinett ihr Modell zum Haschischverkauf in der Apotheke vor. Mit dem fünfjährigen Versuch lehnt sich die Ministerin weit aus dem Fenster. Uneigennützig, wie es scheint, denn die meist unpolitischen Kiffer beeinflussen die nächsten Wahlen weniger als die große Schar empörter Bundesbürger mit vermeintlich gesundem Volksempfinden.
Rationale Argumente haben noch immer einen schweren Stand. Was dem Volk jahrzehntelang als „Tor zur Hölle“ (Bayerns Innenminister Günther Beckstein, CSU) suggeriert wurde, soll auf einmal harmloser als Alkohol sein? Das geht nicht in den Kopf. Da helfen auch international anerkannte Studien und die positiven Erfahrungen der Niederlande und der Schweiz nichts.
Zu stark ist der Glaube an die Autorität des Staates, als daß hier einfach ein jahrzehntelanger, womöglich gar vorsätzlicher Irrtum vorgelegen haben könnte. Das weiß auch die Front der konservativen Politiker und reibt sich vergnügt die Hände. Ließ sich bisher über die Vorsätzlichkeit staatlicher Fehlinformation streiten, sind die panikmachenden Stellungnahmen heute auf jeden Fall absichtlich falsch. Dreist wird das Volk der Biertrinker (137,7 Liter pro Kopf und Jahr) wider besseres Wissen in die Irre geführt.
Als Meister der Demagogie zeigte sich allen voran einmal wieder der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Eduard Lintner. Der CSU-Politiker prophezeite gestern, daß Schleswig- Holstein zum „Zielpunkt aller Drogenabhängigen aus der Bundesrepublik“ werde. So ähnlich wie das Münchner Oktoberfest, möchte man anfügen. Die vier bis sieben Millionen deutschen Kiffer pauschal als Drogenabhängige zu bezeichnen, ist so abwegig, wie den Kieler Modellversuch mit der offenen Drogenszene in Zürich zu vergleichen. Genau das hat Lintner aber getan. Darüber mag man schmunzeln. Für kriminalisierte Schüler, denen auch heute noch wegen eines Joints das Recht auf Bildung verwehrt wird, ist das bitterer Ernst. Clemens Heidel
Tagesthema Seite 3
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