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Künftige Änderung nicht ausgeschlossen

■ Zum sechstenmal in Berlin: Das Musikerinnenfestival „Wie es ihr gefällt“ ist zu einem Netzwerk geworden und schreckt nur vor Techno und Drum 'n' Bass zurück

42,195 Kilometer Bandmaterial hat die Crew des Musikerinnenfestivals „Wie es ihr gefällt“ im letzten Herbst auf einer CD resümiert – die Jahre 1991 bis 1994. Inzwischen ist der Kilometerstand weit höher: Das Festival, das morgen beginnt, wird im sechsten Jahr seines Bestehens über 300 Musikerinnen auf die Bühne gebeten haben. Und das mit einem Konzept, das sich seit den Anfängen kaum verändert hat, mehr Rahmen als Programm ist.

„Stilübergreifend sollte es sein, das ist ganz wichtig, gerne innovativ und gerne professionell“, erklärt Angela von Tallián, eine der Veranstalterinnen. Und ihre Kollegin Inge Morgenroth ergänzt: „Im ersten Jahr hatten wir fast nur Berliner Musikerinnen, das hat sich im nächsten Jahr stark verändert, wobei wir immer noch stark um die lokale Szene bemüht sind.“

Aus der Ursprungsidee, ein Forum für die auf Festivals chronisch unterrepräsentierten Musikerinnen zu schaffen, hat sich – mit einer Minimalsubventionierung von rund 80.000 Mark in diesem Jahr – ein weltweites Netzwerk von Macherinnen, KritikerInnen und Interpretinnen entwickelt. Nach vier Jahren wurden sogar Festivals unter gleichem Namen in München (1995) und Zürich (ab 1994) veranstaltet – von Musikerinnen, die in Berlin selbst auf der Bühne gestanden hatten. Inzwischen ist auch das legendäre SO 36 in Kreuzberg zu klein geworden für den Andrang, das Programm wechselte in die Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg.

Der allgemeine Zuspruch ist um so ungewöhnlicher, als es – im Grunde unpopulär – immer noch eher die Grenzgängerinnen sind, die bei „Wie es ihr gefällt“ mit ihren Shows vertreten sind. Kazuko Hohki zum Beispiel, die als Filmemacherin und Schauspielerin arbeitet und nebenbei Kopf der Japan-Minimalrock-Combo Frank Chickens ist. Oder Zeena Parkins aus dem Umkreis der New Yorker Avantgardeschmiede Knitting Factory, die in ihrem Lumen-Projekt Filme von Maya Deren und Germaine Dulac vertonen wird. Kaum Rock, dafür Lo-Fi, Jazz, Experimentelles – Identitätsverweigerung als Zuwachs an Möglichkeiten. Angela von Tallián sieht gerade in der Tatsache, daß Frauen sich in der Musikindustrie härter durchsetzen müssen, einen Grund dafür, „daß viele von ihnen sehr differenziert sind“.

Wer einmal die Schubladen hinter sich gelassen hat, mag „keine Einspurentscheidungen mehr treffen“. Ganz ähnlich gilt das im übrigen für die Frauenmusikfestivals „Canaille“ (vom 8. bis 10.11. in Frankfurt/Main, der improvisierten Musik gewidmet) und „Rocksie“ in Dortmund.

Sicher, es finden sich bei „Wie es ihr gefällt“ auch alte Bekannte im Programm: Irène Schweizer, Bass-Urgewalt Joälle Léandre und Sängerin Annick Nozati haben sich als Trio Les trois Dames reuniert. Die gute alte Anne Clark wiederum hat mit Berliner Musikerinnen ein neues Programm einstudiert, das die stiftköpfigen Wavewurzeln der Achtziger mit dem Hier und Heute zu einer Art TripHop kombinieren soll. Vor Techno und Drum 'n' Bass in der Gegenwartsform schrecken die Veranstalterinnen, wohl auch generationsbedingt, bislang allerdings als „zu trendy“ zurück – künftige Änderung der Hörgewohnheiten nicht ausgeschlossen.

Zu erwähnen noch: Dagmar Krause, die avantgardeerprobte Eisler- und Weill-Interpretin, die, begleitet von Marie Goyett am Piano, erstmals eigene Songs mitbringt. Und wer diesmal Geige und Stimme Iva Bittovàs verpaßt, ist selber schuld. Ach ja: Männer dürfen auch mit rein – und müssen nicht mal an der Leine geführt werden. Gaby Frank

„Wie es ihr gefällt“: Vom 21. bis 24. November in der Kulturbrauerei in Berlin

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