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Sieg der Waffennarren

■ Britisches Unterhaus beschließt nur ein Teilverbot von Handfeuerwaffen

Dublin (taz) – In Großbritannien darf weiter geschossen werden – künftig allerdings nur mit kleinen Kalibern. Das Londoner Unterhaus stimmte am Montag abend gegen den Antrag der Opposition, sämtliche Handfeuerwaffen zu verbieten. Die Regierung setzte sich mit ihrer Vorlage durch, wonach Waffen bis Kaliber 22 vom Verbot ausgenommen sind, jedoch strengeren Sicherheitsvorkehrungen als bisher unterliegen. Premierminister John Major hatte vorsichtshalber Fraktionszwang verhängt, doch vier Tory-Abgeordnete hielten sich nicht daran. Da aber die nordirischen Unionisten mit der Regierung stimmten und sich 17 Labour-Abgeordnete enthielten, fiel das Ergebnis mit 25 Stimmen Vorsprung für die Regierung überraschend deutlich aus.

Das Ergebnis wurde mit Pfuirufen von der Zuschauertribüne quittiert. Dort hatten sich Mitglieder einer Anti-Waffen-Initiative aus Dunblane versammelt. Im März waren in dem kleinen schottischen Ort 16 Schulkinder und ihre Lehrerin von einem Mann erschossen worden, der sich danach selbst tötete. Das Blutbad löste die Parlamentsdebatte um das Waffenverbot aus.

Der Schottland-Minister im Labour-Schattenkabinett, George Robertson, sagte: „Wenn ein Verrückter mit 743 Schuß Munition ins Unterhaus stürmen, 17 Abgeordnete ermorden und 15 weitere verletzen und sich dann selbst erschießen würde, müßten wir wohl keine acht Monate warten, bis ein Teilverbot eben jenes Mordinstruments ausgesprochen würde.“ Der frühere Tory-Minister Robert Hughes erinnerte daran, daß Waffen vom Kaliber 22 alles andere als harmlos seien: Sie werden bevorzugt vom israelischen Geheimdienst Mossad und von der britischen Sondereinsatztruppe SAS benutzt. Außerdem sei dieses Kaliber auch bei Attentätern beliebt: Robert Kennedy ist damit ermordet worden, Ronald Reagan überlebte den Anschlag.

Ein anderer Exminister, David Mellor, sagte nach der Abstimmung: „Die Regierung hat einen Pyrrhussieg errungen. Eine große Bevölkerungsmehrheit wollte ein völliges Verbot.“ Das wird sie nach einem Labour-Wahlsieg im Mai bekommen, wie ein Sprecher der Partei noch einmal versicherte.

Innenminister Michael Howard verteidigte die Strategie der Regierung. Er sagte, ein allgemeines Verbot hätte Waffennarren in den Untergrund getrieben. So bleiben nach Weihnachten, wenn das Teilverbot in Kraft tritt, rund 40.000 Handfeuerwaffen in Privatbesitz, 160.000 werden aus dem Verkehr gezogen. Manchen Tories geht selbst das zu weit. Rechtsaußen Nicholas Budgen sagte, das Parlament habe „in einem Akt von Lynchjustiz einer bedeutenden und ehrenwerten Minderheit ohne zu überlegen die Rechte aberkannt“. Ralf Sotscheck

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