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Kettensägenmassaker in Freiburg

■ 1.100 Quadratmeter Park sind versehentlich zuviel gerodet worden. Wochen-Demos gegen Stadtautobahn

Freiburg (taz) – Die Baumhäuser sind lange geräumt, die 300 Jahre alten Eichen im ehemaligen Konrad-Guenther-Park am Freiburger Messeplatz lange gefällt. Da muß in diesen Tagen das Freiburger Regierungspräsidium die wohl schwerste Panne in der badischen Behördengeschichte eingestehen: „Versehentlich“ seien erheblich mehr Bäume gefällt worden, als in den Plänen für die Trasse der vierspurigen Bundesstraße31 vorgesehen waren.

1.100 Quadratmeter des alten Eichenbestands wurden unnötig abgeholzt, gesteht Präsidiumssprecher Albert Schelb ein – und bestätigt mit dreiwöchiger Verspätung, was die Straßengegner unmittelbar nach den Holzfällerarbeiten wußten. „Das Regierungspräsidium ist mit diesem Projekt völlig überfordert“, sagt ein Insider. Denn außerdem gedenkt das Regierungspräsidium, die Straße anders zu bauen, als in den Plänen festgeschrieben.

In Freiburg bläst der Wind den Autobahnbauern heftig ins Gesicht. Das Öko-Institut stellt fest, daß die vierspurige Transitstraße die „Glaubwürdigkeit der Stadt gefährdet“ und „in krassem Gegensatz zu den sonstigen Umwelt- und Klimaschutzbemühungen der Stadt“ stehe. Der Verkehrs-Club Deutschland machte den Straßenbau in Freiburg auf seiner Bundesdelegiertenversammlung zum Thema und kritisierte die „Naturschändung für eine autobahngleiche Stadtdurchquerung“. Die Deutsche Umwelthilfe teilt mit, daß die einstige Öko-Hauptstadt Freiburg inzwischen auf den sechsten Platz abgerutscht ist: Heidelberg ist neue Öko-Hauptstadt.

Das stärkt die Umweltschützer. Nachdem die ersten Bäume gefallen sind, ist der Zulauf bei den Gegnern stark wie nie zuvor. Das Regierungspräsidium fleht, man möge doch endlich „von unnötigen Emotionen ablassen“ und „die Entscheidung jetzt endlich akzeptieren“. Die Stadt versucht in Großanzeigen in der lokalen Presse, die Trasse schmackhaft zu machen: „Freiburg braucht eine gute Verbindung in den Schwarzwald.“ Und: „Zum Ausgleich werden 400 neue Bäume gepflanzt.“

Doch das hilft alles nichts. Zunehmend wird deutlich, daß die Mehrheit der FreiburgerInnen gegen die Stadtautobahn ist – in den Leserbriefspalten von Tagespresse und Anzeigenblättern erringen die Gegner inzwischen eine Dreiviertelmehrheit. Stadt und Land, einst in der Hoffnung, mit dem Baubeginn den Widerstand zu brechen, sehen sich zunehmend gegen die Bürger agieren. Denn nicht zuletzt wegen der Panne beim Bäumefällen, vertrauen sie den Behörden kaum mehr.

So finden inzwischen allwöchentlich die „Dienstagsdemos“ statt: An einem Dienstag rückte die Polizei Ende Oktober an, um die Baumhäuser zu räumen. Seitdem zieht jede Woche um 18 Uhr ein Demonstrationszug vom Rathausplatz in den ehemaligen Park. „Mit wöchentlichen Demos“, so die Straßengegner, „wurde auch schon anderes Unrecht beendet.“ Bernward Janzing

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