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Die Umformung des Realen

■ Lobbyarbeit ohne den Überbau der Gender Studies: Die Künstlerinnen-Initiative Gedok zeigt zum 70jährigen Jubiläum im Kunstamt Kreuzberg "aus/14/räumen"

Kunst macht viel Arbeit. Ganz besonders bei raumbezogenen Konzepten, die kaum aus wiederverwendbaren Produkten bestehen. Daß eine Künstlerin ihre verwandelten Räume nur in Fotografien zeigt und zur Eröffnung schon wieder aufgeräumt hat, spitzt den Aspekt des vorübergehenden Eingriffs in fast schon absurdem Maße zu.

So zeigt Renate Herter in der Ausstellung „aus/14/räumen“ schon wieder vergangene Stadien ihrer Umformung des Realen. Zuvor hatte sie Fenster, Wände, Heizung und Fußleisten in helles Leinen eingenäht – jetzt liegt der zusammengefaltete Stoffballen unter dem Foto. Im zweiten Bild hängen fünf eingenähte Freischwinger unter der Decke; real im Raum befinden sich nur die leeren Hüllen der eleganten Stahlrohrstühle, die schlapp wie Küchenschürzen an Haken baumeln. Als ob die Kunst selbst die Frage stellt: Wozu der Aufwand?

„aus/14/räumen“ ist eine Ausstellung von 14 Künstlerinnen der Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstfreunde e. V. (Gedok), die vor 70 Jahren gegründet wurde. Im Jubiläumsjahr zeigte die Berliner Sektion Ausstellungen zu Graphik und Satire, zum Mythos der Farben „Rot/Gold“, zu neuen Realismuskonzepten und Gemeinschaftsprojekte von bildenden Künstlerinnen, Autorinnen und Musikerinnen. Jetzt ist die Ausstellung im Kunstamt Kreuzberg der Arbeit mit dem Raum gewidmet.

Bereits Ende der achtziger Jahre begann die Gedok mit thematischen Konzepten zu arbeiten, als die bloße Vereinszugehörigkeit als Ausstellungsanlaß nicht mehr ausreichte. Fast nie ging es in dem Verein um die Suche nach frauenspezifischen Themen oder gar einen Überbau von Gender Studies. Vielmehr hält die Notwendigkeit der Lobbyarbeit die Künstlerinnen zusammen, die den Verein als Korrektiv zu den feststehenden, auf den männlichen Künstler fixierten Selektionsverfahren des Kunstmarktes brauchen.

Dafür spricht auch der Aufschwung in den neunziger Jahren, als viele jüngere Künstlerinnen in der Gedok einen Rückhalt suchten, weil nach dem Mauerfall in Berlin der Wind der Konkurrenz wieder härter zu blasen begann. Gleichzeitig gelang es den ehrenamtlichen Kunstfreundinnen durch ihr Engagement, für die Gedok in einer kommunalen und alternativen Kunstszene regelmäßige Ausstellungen zu verabreden.

Dem beziehungslosen Nebeneinander einer Gruppenausstellung zu entkommen, schafft „aus/14/räumen“ leider nicht ganz. Eine akustische Vernetzung hat Ma-Lou Bangerter aus den Geräuschen der Künstlerinnen bei der Arbeit komponiert: „Klack, Klack, Klack“ tackert der Verschluß einer Kamera; Wasser läuft, Metallplatten donnern, trocken wischt ein Stift über harten Untergrund. Die Toncollage „Simultan“, die man über einen Walkman überall in der Ausstellung wieder abhören kann, hebt daneben erneut das Prozeßhafte des Kunstmachens hervor.

Gegen das Verfließen der Zeit und das Vergessen sollen ja Knoten im Taschentuch helfen. Aus diesen „Gedächtnisknoten“ legt Ping Chiao die Konturen eines Raumes nach, als ob sie Wand und Boden damit in einen Proustschen Erinnerungsraum verwandeln könnte. Als poetische Abkürzungen ausführlicher Dinggeschichten lassen sich auch die gerollten und verknoteten Abfälle aus der Gummifabrik sehen, die Salom Haettenschweile über Wände und Pfeiler wie verirrte Buchstaben verteilt hat.

Einen Raum, der uns von den bekannten Formen der sinnlichen Wahrnehmung abschneidet und einem Gefühl der Isolation ausliefert, hat Grazyna Bielska aus grünoxidierten Eisenplatten gebaut. In Blindenschrift sind die Himmelsrichtungen in das Metall der vier Türen geschrieben.

Doch was sich nach innen als ertastbare Kuppe wölbt, setzt sich außen als spitze Röhre fort. Das Potential der sinnlichen Erkenntnisfähigkeit, das die Raumkonzepte mit Spiegeln, Klängen, Farbräumen, Projektionen, Schattenwürfen und Laserlicht ausloten, wird bei Bielska zu einem Privileg, dessen wir uns oft kaum bewußt sind. Nicht darüber verfügen zu können, schlägt in eine aggressive Abwehr um.

Die Kunst der Rauminszenierung ist auch die der Vergeblichkeit. Am Ende wird ausgeräumt. Kunst kommt immer wieder, glauben wir, aber wie lange noch, ist gar nicht sicher. Den Teufel an die Wand malt Susanne Ahner: Sie hat die Werbeplakate des Kunstamtes Kreuzberg, bei dem die Gedok zu Gast ist, gegen kleine Fotos weggeworfener Papiere ausgetauscht. Katrin Bettina Müller

Kunstamt Kreuzberg, Mariannenplatz, bis 15. Dezember, Di.–So. 12–18 Uhr, Mi. 12–20 Uhr

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