: Steine klopfen, Autofahrn
Die jungen Alten sind doch nur alte Rechte, wählbar ab 97, wollen für mehr deutsche Kinder in deutschen Wohnungen sorgen ■ Von Ulrike Winkelmann
Nicht, daß sich Die jungen Alten phänotypisch von der SPD unterschieden. Vielleicht ist der Hang ihrer Mitglieder zu starken Farben in der Auswahl der Oberbekleidung ungewöhnlich. Nichtsdestotrotz will die neue Partei, eine Gründung des Alterspräsidenten der Bürgerschaft, Klaus Scheelhaase, 77, aufräumen, Klartext reden, die Kinder beim Namen nennen und die Interessen der 623.000 HamburgerInnen über 60 vertreten.
Scheelhaase, Stattianer der ersten Stunde, ist ausgezogen, alle Ängste, Sorgen und Nöte der älteren Generation aufzufangen; zu ihm kommen die Entrechteten, die trotz Reps und DVU, trotz Heimatvertriebener und CDU-Hardliner Karl-Heinz Ehlers keine Stimme haben. Ihr Problem: Ausländer.
SeniorInnen sei die Ausländerpolitik das wichtigste Anliegen, verkündete Scheelhaase, selbstredend Vorsitzender, gestern bei der Vorstellung seiner neuen Wählervereinigung im Rathaus. Und weil die Parteien und Medien das Thema „tabuisieren“, wollen Die jungen Alten einmal feststellen, daß für Ausländer Geld ausgegeben wird, das anderswo fehlt.
Natürlich sei da zu differenzieren; so „lassen sich EG-Ausländer problemlos integrieren“, anderen jedoch, sagte Scheelhaase tatsächlich, müsse klargemacht werden, daß sie ihr „Gastrecht“ nicht mißbrauchen dürften. 97 werde man in den Wahlkampf ziehen, und zwar neben der Ausländerpolitik auch mit drei weiteren Themen: Innere Sicherheit, Soziales und Verkehr. In ihren vier Programmpunkten konzentrieren sich Scheelhaases juvenile Senioren darauf, Autos freie Fahrt zu ermöglichen, die Polizei „aufzurüsten“ (ja, Zitat) und jungen Paaren die Möglichkeit zu gewähren, Kinder zu gebären – wozu sie billigere Wohnungen brauchen, die, wer ahnte es nicht schon, den Ausländern jedenfalls nicht mehr zur Verfügung gestellt werden dürften.
Um mangelnde Tiefenschärfe dieser Forderungen auszugleichen, wurde gestern auf jede verblüffte Nachfrage seitens der Journaille mit dem vollen Umfang des zu Phrasen gebündelten Volkszorns geantwortet: „Wir sind nicht mehr die reiche Nation, die wir mal waren“, deklamierte Gerda Wittuhn, zweite stellvertretende Vorsitzende. Schließlich habe sie 45 auch Steine klopfen müssen, und deshalb müßten Bosnier zurückgeschickt werden, und es sei ein Skandal, daß „20.000 ukrainische Juden Renten haben wollen“, die dann doch bitte nicht aus der Rentenkasse bezahlt werden sollten.
Und weil überhaupt nur alte Leute „glaubwürdige und nicht vorteilsbedachte Politik“ machten, würden auch die Enkel ihre Opas wählen, rief Öffentlichkeitsarbeiter Reinhard Hartwig, und deshalb „werden die jungen Alten einschlagen wie eine Bombe!“
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