: Wenn Behörden spionieren
■ Nach der Abschiebung von Eric B. nach Nigeria mußte Tina N. sich dort trauen lassen. Doch die Eheschließung wird von den deutschen Behörden noch lange nicht anerkannt
Die Vorgeschichte: Eric B. war als Student in Nigeria politisch aktiv und wurde deshalb verfolgt und mehrmals verhaftet. Ende 1993 konnte er fliehen und kam nach Deutschland, wo er einen Asylantrag stellte. Der Antrag wurde als unbegründet abgelehnt, Eric kam der Ausreiseaufforderung vom August 1995 nicht nach und hielt sich danach illegal in Deutschland auf. Er und Tina N., die seit Sommer 1994 befreundet sind, beschließen daraufhin zu heiraten, weil sie denken, damit können sie weiterhin in Deutschland zusammenbleiben. Als die beiden beim Standesamt das Aufgebot bestellen wollen, wird Eric auf dem Amt verhaftet. Wenige Tage später wird er in sein Heimatland abgeschoben, weil die Ausländerbehörde sich weigerte eine Duldung bis zur Eheschließung zu erteilen. Tina N. reist ihrem Verlobten im Oktober 1995 nach, um in Nigeria zu heiraten.
taz: Tina, du hast am 25.11. 1995 in Nigeria geheiratet, weil es in Deutschland für dich und Eric nicht möglich war, und trotzdem sitzt du jetzt alleine hier. Warum ist dein Mann nicht hier bei dir?
Tina: Er ist immer noch in Nigeria. Eric bekommt kein Einreisevisum.
Aber hat dein Mann durch eure Heirat nicht das Recht, mit dir zusammenzuleben?
Das haben wir auch gedacht, aber die deutschen Behörden unterstellen uns, wir hätten nur geheiratet, damit Eric eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland bekommt. Gleich nach der Eheschließung in Nigeria haben wir bei der deutschen Botschaft in Lagos einen Antrag auf Familienzusammenführung gestellt. Bevor jedoch ein Einreisevisum erteilt wird, wird erstmals gründlich geprüft, ob es nicht irgendwelche Gründe gibt, die Familienzusammenführung zu verhindern. Und inzwischen bin ich davon überzeugt, daß die deutschen Behörden insgeheim darauf hoffen, die geschlossene Ehe möge an den Schikanen und der Trennung zerbrechen.
Was sind das denn für Schikanen, von denen du sprichst?
Zuerst wurden wir bei der Antragstellung nicht darüber informiert, daß durch die Abschiebung von Eric für ihn ein unbefristetes Wiedereinreiseverbot für Deutschland bestand, sondern erfuhren dies erst nach vier Monaten von der Ausländerbehörde meines Wohnortes in Deutschland. Wir müßten eine Befristung der Ausweisungsverfügung beantragen, hieß es. Genau das hätte schon vor der Ausreise Erics geschehen können. Damit diese Befristung erteilt werden konnte, forderte die Ausländerbehörde von mir zuerst die Bezahlung der Abschiebekosten einschließlich der Kosten für die zehn Tage Abschiebehaft in Höhe von insgesamt 5.000 Mark. Diese Summe konnte ich natürlich nicht so schnell aufbringen, nachdem ich mich schon verschuldet hatte, um die Reise zur Heirat nach Nigeria zu finanzieren.
Dann stellte die Deutsche Botschaft bei der Anfrage beim Ausländerzentralregister, der zentralen Datenbank für AusländerInnendaten in Deutschland, fest, daß es in diesem Register einen anderen Nigerianer gleichen Namens gab, der wegen verschiedener Straftaten gesucht wurde. Man vermutete, daß mein Mann etwas damit zu tun hat und forderte ihn auf, sich bei der Deutschen Botschaft erkennungsdienstlich erfassen zu lassen und schaltete das Bundes- und Landeskriminalamt zu weiteren Überprüfungen ein. Und solche Überprüfungen dauern. Außerdem verlangte man von ihm weitere Nachweise über seine Identität, wie alte Schulzeugnisse, eine Taufbescheinigung oder Bescheinigungen über eine frühere Berufstätigkeit in Nigeria. Diese Nachweise zusammenzutragen, dauert in einem Land wie Nigeria viel länger als hier bei uns, noch dazu, wenn man wie Eric kein Geld und auch keine Familie hat, die ihn unterstützen könnte.
Doch damit nicht genug. Eric wurde außerdem bei der Deutschen Botschaft in Lagos regelrecht verhört, man wollte von ihm wissen, warum er mich geheiratet habe, wieviel Geld er mir bezahlt hätte, oder ob er mich mit Drogen entlohnt hätte ...
Bist du denn auch von der Deutschen Botschaft befragt worden?
Nein. Allerdings erhielt ich eines Morgens um 7.30 Uhr, als ich gerade zur Arbeit gehen wollte, überraschend Besuch von zwei Beamten einer Ermittlungsgruppe des Ordnungsamtes. Sie baten mich, noch ein paar Fragen zu meiner Eheschließung zu beantworten. Sie wollten sich auch gerne die Wohnung angucken, wollten wissen, ob ich hier allein lebe und so weiter. Da ich dies nicht wollte und auch keine Zeit hatte, vereinbarten wir einen Termin für den nächsten Tag auf dem Ordnungsamt.
Was geschah dort? Was wurdest du gefragt?
Man stellte mir sehr persönliche Fragen zu den Gründen unserer Heirat, zu unserer Beziehung überhaupt, zum Beispiel, wann und wo wir uns kennengelernt hätten, ob ich noch andere Männerbekanntschaften hätte ... Diese Fragen konnte und wollte ich vor allem nicht beantworten. Daraufhin wurde mir ein mehrseitiger Fragebogen vorgelegt.
Welche Fragen enthielt denn der Fragebogen?
Neben allgemeinen Fragen zu meiner Person wurde zum Beispiel gefragt, wie alt meine Schwiegermutter ist, oder wie die Brüder und Schwestern meines Mannes heißen, es wurde gefragt, wer die Eheringe gezahlt hat, wo das Brautkleid gekauft worden ist, ob er oder ich den Heiratsantrag gestellt haben ...
Wie ging es dann weiter?
Ich erfuhr von einer Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde den Anlaß für die Befragung: Ich bin elf Jahre älter als Eric und habe noch einen zweiten Wohnsitz bei meinen Eltern.
Was willst du jetzt machen? Siehst du eine Perspektive?
Ich kann nicht sehr viel machen. Ich habe mich erkundigt, ich bin nicht verpflichtet, solche Fragen zu beantworten, aber wenn ich es nicht tue, wird es mir bestimmt so ausgelegt, daß ich etwas zu verbergen hätte. Mein Mann bekommt dadurch nicht schneller sein Einreisevisum. Ich weiß mittlerweile auch von anderen Frauen, denen es ähnlich ergeht und die gegen die Behörden rechtliche Schritte unternehmen wollen. Aber solange das Visum nicht abgelehnt ist, kann ich auch nicht gegen die Ablehnung klagen. Nächste Woche werde ich nach Nigeria fliegen. Ich will endlich meinen Mann wiedersehen. Ich werde mit Eric zur Deutschen Botschaft gehen und sie ohne ein Visum für ihn nicht wieder verlassen. Interview: Maria Ringler
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