Superpräsident mit windigem Mandat

■ Weißrußlands Staatschef Alexander Lukaschenko bekommt per Volksabstimmung die Verfassung, die er will. Doch internationale Beobachter beklagen massive Manipulationen bei dem Referendum

Minsk/Berlin (taz/dpa/AP) – In bester Laune trat Weißrußlands Präsident, Alexander Lukaschenko, gestern morgen vor die Kameras und verkündete, was ohnehin schon alle wußten: Das Verfassungsreferendum, mit dem in Weißrußland auch noch die letzten Reste von Demokratie ausgehebelt werden, ist durch.

Nach Angaben der zentralen Wahlkommission stimmten 70,5 Prozent der eingetragenen Wähler Weißrußlands für die Änderungen der Verfassung, die Lukaschenkos Vollmachten erheblich ausweiten. Dem Entwurf zufolge verlängert sich die Amtszeit des Präsidenten bis zum Jahr 2001. Überdies ernennt er die Hälfte der Mitglieder des Verfassungsgerichts und der Wahlkommision sowie einen Teil der Mitglieder der neugeschaffenen zweiten Parlamentskammer.

Für den Gegenentwurf des Parlaments, der unter anderem die Abschaffung des Präsidentenamtes vorsah, stimmten angeblich nur 7,9 Prozent. Die Wahlbeteiligung, die am Sonntag abend nur bei knapp über 50 Prozent gelegen hatte, wurde gestern morgen mit rund 90 Prozent angegeben. Noch vor der Bekanntgabe des Ergebnisses hatte das zentrale Wahlkomitee eine Nachrichtensperre verhängt. Unabhängigen Medien waren nachts zeitweise die Telefone abgeschaltet worden. „Das Volk hat seinen Willen kundgetan“, verkündte Lukaschenko gestern vormittag selbstsicher. „Es wird meinen Opponenten heute schwer fallen zu sagen, die Ergebnisse seien nicht korrekt.“

Daß bei der Abstimmung, die bereits seit dem 9. November lief, nicht alles mit rechten Dingen zuging, war bereits am Abstimmungstag mehrfach kritisiert worden. So sagte Elisabeth Schrödter, Abgeordnete der Grünen im Europaparlament und Mitglied einer inoffiziellen Delegation der Europäischen Union (EU), am Sonntag in Minsk, Beobachter hätten schon kurz nach der Abstimmung etwa 1.000 Verstöße gegen das Wahlrecht registriert.

Zuvor hatte die EU es abgelehnt, das Referendum offiziell als Beobachter zu begleiten. Aus Minsk hieß es gestern weiter, Abstimmungsunwillige seien massiv unter Druck gesetzt worden. Die rund 7.000 Wahllokale wurden durch ein Großaufgebot der Polizei regelrecht belagert.

Doch das alles ficht Lukaschenko nicht an. Gestern kündigte er bereits die baldige Umbildung des Obersten Sowjet in ein Zweikammer-Parlament an. In das neuzubildende Verfassungsgericht werde er nur diejenigen Richter übernehmen, „die ihre politischen Forderungen fallenlassen“. Das dürfte insofern etwas schwierig sein, als die Verfassungshüter in der Vergangenheit mit eindeutigem Votum mehrmals Erlasse Lukaschenkos für verfassungswidrig erklärt hatten – worüber sich Lukaschenko jedesmal hinwegsetzte.

Weiter ungeklärt ist, wie mit dem Amtsenthebungsverfahren gegen Lukaschenko verfahren werden soll. Bereits am Montag vergangener Woche hatte der Oberste Sowjet, das weißrussische Parlament, ein Amtsenthebungsverfahren wegen Verstoßes gegen die Verfassung gegen Lukaschenko eingeleitet. 75 Parlamentsabgeordnete hatten einen entsprechenden Antrag unterschrieben. Auch am Wochenende verlautet aus Minsk, daß die Parlamentarier, ungeachtet des Abstimmungsergebnisses, an dem Verfahren festhalten wollen. Heute soll das Verfassungsgericht auf seiner nächsten Sitzung über den Antrag entscheiden. Ob die Verfassungsrichter allerdings noch Zeit genug dazu haben, ist fraglich. In der vergangenen Woche hatte Lukaschenko bereits mehrfach angekündigt, das Gericht, sollte das Referendum erfolgreich sein, sofort aufzulösen. bo