: Auferstehung der Ruine
Ein Jahr nach dem Brand: Riesige Solidaritätswelle überschwemmte die Rote Flora, aber Geld von der Stadt fließt zu wenig ■ Von Ulrike Winkelmann
In gelb und blau erstrahlt die Volxküche, seit Monaten gibt's im Erdgeschoß wieder Konzerte und die eine oder andere Diskussion: Ein Jahr nach dem Brand der Roten Flora im Schanzenviertel wird das autonome Stadtteilkulturzentrum zwar wieder genutzt, viele Gruppen und Bands, die sich hier regelmäßig trafen, sind jedoch noch nicht wieder zurückgekehrt.
Das liegt vor allem daran, daß die Räume im oberen Stockwerk noch nicht wieder zu gebrauchen sind. „Wir dachten, das ginge schneller“, räumt Florist Tobias (Namen erkennungsdienstlich mißhandelt) ein, der seit dem Brand seine freie Zeit regelmäßig mit der Putzkelle zwischen Brandschutt, neuen Dachsparren und Rigipsplatten verbringt. Doch sind auch schon neue Wände und Zwischendecken eingezogen und teilweise verputzt, es entstehen neue Klos, und nächste Woche soll sogar die Gasheizung im ganzen Haus fertig sein.
Sieben Jahre Instandbesetzungsarbeit schienen dahin, als der „Kasten“ in der Nacht vom 27. auf den 28. November 1995 in Flammen stand. Das Obergeschoß und das Dach wurden zerstört, das Löschwasser durchtränkte das Gemäuer und die Ausstattung.
Im April 1988 war das ehemalige Flora-Varieté-Theater bis auf den vorderen Teil abgerissen worden, hinter der hundertjährigen Fassade wollte Finanzmakler Fritz Kurz einen Musical-Klotz bauen. Nach heftigen Kämpfen mit AnwohnerInnen, die die Zerstörung ihres Viertels befürchteten, verbannte der Senat das „Phantom der Oper“ jedoch an den Holstenbahnhof. Im November 1988 machten engagierte AnwohnerInnen die Ruine erstmalig winterfest, am 1. November 1989 wurde die Flora offiziell besetzt – und nicht geräumt.
Die „Nutzung“ der Flora „für stadtteilkulturelle Aktivitäten wurde bis heute geduldet“, schrieb der Senat kürzlich in einer Drucksache. Um vor Gegnern solcher Aktivitäten innerhalb von SPD und CDU nicht zu blaß auszusehen, fordert der Senat im selben Schriftzug allerdings „Gespräche“ und ein „Nutzungskonzept“.
Immerhin geht es um 400.000 Mark – damit ließe sich aus der Flora mindestens ein zweites CCH machen, mit Sushi-Bar statt Volxküche. 450.000 Mark hatte die Städtische Feuerkasse nach Begutachtung des Brandschadens für die Sanierung bereitgelegt. Mehr als 50.000 Mark davon sind bereits in die Sofortmaßnahmen zur Wintersicherung geflossen – darüberhinaus will die Freie und Hansestadt jedoch keinen Pfennig mehr an die FloristInnen weitergeben, bevor diese nicht ein mit der Stadt „abgestimmtes Nutzungskonzept“ vorlegen. So jedenfalls hatte der Senat auf die Anfragen der Bürgerschafts-Abgeordneten Karl-Heinz-Ehlers (CDU) und Peter Kämmerer (SPD) im Sommer dieses Jahres geantwortet, als diese wieder einmal wissen wollten, wieviel Steuergelder dem autonomen Zentrum denn zugesteckt würden.
Für die notwendigen Verhandlungen ist der seit August amtierende Altonaer Bezirksamtsleiter Uwe Hornauer verantwortlich, der unter dieser „Altlast“ ein wenig zu leiden scheint. „Ich stecke da in einem Dilemma“, erklärt Hornauer – einerseits will er „den Damen und Herren vom Verein Flora e.V.“ natürlich nicht zu nahe treten, andererseits ist er dem Senat verpflichtet. Er habe schon diverse Gesprächsangebote gemacht, aber noch keine Antwort vom Schulterblatt erhalten, er bleibe jedoch „gelassen“.
„Natürlich sind wir zu Gesprächen mit dem Bezirk bereit“, verlautbart ein Flora-Aktivist Stefan. Niemand könne sich allerdings an Post aus dem Altonaer Rathaus erinnern. „Ein Nutzungskonzept“, wundert sich Stefan jedoch, liege der Stadt „seit den Gesprächen 1992 mit Traute Müller“ vor, damals Stadtentwicklungssenatorin mit offenen Ohren für stadtteilpolitische Belange.
Nun könne nur befürchtet werden, daß wieder mal der Freiraum Flora eingeschränkt und die FloristInnen vertraglich gebunden werden sollten. Darauf haben letztere jedoch immer noch keine Lust und beschlossen, sich weiterhin mit milden Gaben über Wasser zu halten.
Nach dem Feuer trieb eine beispiellose Solidaritäts- und Spendenwelle vielen FloristInnen Tränen der Rührung in die Augen, in den Wochen nach dem Brand tauchten völlig unbekannte Menschen auf, um Baugerät und Ar-beitskraft zur Verfügung zu stellen. Aber manche Schäden sind einfach irreparabel. Das „Archiv der sozialen Bewegungen“, in dessen Räumen der Brand, vermutlich durch einen Kurzschluß, ausgebrochen war, konnte nur fünf bis zehn Prozent seines Bestandes wieder aus der Ruß- und Löschwassersuppe heraussuchen.
Seitdem, berichtet Benni, einer der sechs Archivare, sei dank Spenden von Privatleuten und Infoläden „die Systematik der Zeitschriften und Broschüren zwar wiederhergestellt“. Ein Großteil der gesammelten Flugschriften ist jedoch verloren. Trotzdem gibt man sich optimistisch: „Wir sind auf jeden Fall wieder arbeitsfähig.“ Statt sich auf die sozialen Bewegungen ab 1968 zu beschränken, will das Archiv jetzt auch Material ab 1945 zusammenstellen – ebenso wie das dazugehörige „Foto Archiv Kollektiv“ nunmehr nicht nur eigene, sondern auch alte Bilder sammeln will. Aus der vorläufigen Bleibe in der nahen Ludwigstraße 13, die beide Archive im März bezogen hatten, werden sie im Frühjahr – hoffentlich – wieder in die Flora umziehen. „Schließlich“, meint Benni, „sind wir ein Teil der sozialen Bewegung, zu der auch die Flora gehört.“
Bauwochenende in der Volxküche; Freitag, 29. 11., ab 22 Uhr: „Feuerwehrball“; Donnerstag, 28. 11.: Diskussion über den Flora-Park , Büro der Steg, Stresemannstr. 71 um 19 Uhr.
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