■ Nachschlag: Absolut schmerzfrei: Arnulf Ratings „Sprechstunde“ im Mehringhof
Manch einer braucht nur mit einigen Pillen um sich zu werfen, und schon ist das Publikum glücklich. Zum Beispiel Arnulf Rating. Der große Blonde mit dem lichten Haar, einst der Anarcho-Mannschaft Drei Tornados zugehörig, zog vor einigen Jahren aus, um im Alleingang die Welt zu erobern und als Solist ein Star zu werden. Für das erste Programm „Perlen der Heimat“ bekam er den Deutschen Kabarettpreis. Jetzt aber macht es sich der Rating doch recht einfach. Man nehme eine verrutschte rote Lockenperücke, gebe ein wenig Augengeglupsche und einen Jesus als Rapper hinzu und würze dies anschließend leicht – wohlgemerkt: leicht – mit ein wenig Politsatire, und fertig ist die Rezeptur des zweiten selbstverfaßten Soloprogramms: „Sprechstunde im Wartezimmer von Dr. Mabuse“.
Der Running Gag, das Medizinische in Gestalt von Schwester Hedwig, die ohne Schachtel Mon Chéri gar nichts macht, ist nur ein Gerüst, um gewisse Themen dranzuhängen: Organspende, Retortenbefruchtung, Fitneßwahn, das Haushaltsloch, die Bundeswehr – Rating möchte nichts auslassen, was so auf der Straße liegt. Deshalb bringt er zuviel und wird auch noch didaktisch: „Das ist doch irgendwie krank.“ Ein Versuch, das gesamte Zuschauerspektrum abzudecken, vom semilinken Kabarett bis weit hinein in die gegnerischen Reihen. Über einen „erigierten Diepgen“ und den „Orgasmus Wiedervereinigung“ lachen doch der Student und der Reihenhausehemann gleichermaßen. Natürlich auch über flache Wortspiele: „Wir brauchen gar nicht Tennis zu spielen, wir haben genügend Tennisarme in der Praxis.“ Richtig schlimm wird es aber, wenn er den Pointen auch noch Erklärungen hinterherschickt, wovor ihn der Regisseur Ulrich Waller definitiv hätte bewahren sollen. Doch auch das tut dem Erfolg keinen Abbruch. Schließlich ist keiner gemeint und trotzdem jeder in seinen kleinen kritischen Anwandlungen bestätigt. Absolut schmerzfrei eben! Marilina Kolvenbach
Bis 1.12., Mi-So, 20.30 Uhr, Mehringhof Theater, Gneisenaustr. 2a
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