: Mehr als ein Vorfall von schlechtem Geschmack
■ Hessische Richter-Gutachter-Affäre: Justizminister von Plottnitz in der Kritik
Wiesbaden (taz) – Der Fall des Oberlandesgerichtspräsidenten Horst Henrichs, der für die nebenberufliche Leitung einer Untersuchungskommission der IG Metall 1,34 Millionen Mark abkassierte, sei in erster Linie ein Fall Rupert von Plottnitz – meinen CDU und FDP, die Oppositionsparteien im Hessischen Landtag. Der grüne Justizminister, so die Union gestern bei einer Sondersitzung des Rechtsausschusses, hätte diese Nebentätigkeit des Spitzenbeamten nie genehmigen dürfen.
Henrich, der inzwischen von seinem zweiten Amt als Präsident des Staatsgerichtshofs zurückgetreten ist, gehe noch anderen lukrativen „Nebenbeschäftigungen“ nach. So streicht der oberste Richter des Landes etwa für eine treuhänderische Nebentätigkeit bei einer Hypothekenbank 2.000 Mark monatlich ein. Zeitaufwand: monatlich zwei Stunden inklusive Wegstrecke.
Der Justizminister verteidigte die erteilte Genehmigung mit Hinweis auf das Beamtenrecht und das Richtergesetz. Gründe, dem Richter die Nebentätigkeit zu versagen, hätten nicht geltend gemacht werden können. Beim beantragten Nebenjob habe es sich um die genehmigungsfähige Aufklärung von Sachverhalten gehandelt und nicht um die einem Richter verbotene Erstellung eines Gutachtens oder um die ebenso verbotene „Erteilung juristischer Ratschläge gegen Entgeld“. Immerhin will von Plottnitz jetzt prüfen lassen, ob Henrichs gegen das für Richter im Dienst geltende „Mäßigungsgebot“ verstoßen hat.
Die Opposition meint trotzdem, daß der Justizminister eine „Gefälligkeitsgenehmigung“ erteilt und Henrichs der IG Metall ein „Gefälligkeitsgutachten“ angefertigt habe. Der Abgeordnete Christian Wagner (CDU) zitierte den früheren IG-Metall-Chef Franz Steinkühler, der im Zusammenhang mit der Höhe des Honorars für Henrichs und dem Bericht der Kommission von einem „schlechten Gschmäckle“ gesprochen habe.
Steinkühler war im Abschlußbericht von Henrichs zur IG-Metall-Immobilienaffäre schwer belastet worden, dem amtierenden Gewerkschaftsvorstand um Klaus Zwickel hingegen Absolution erteilt. Klaus-Peter Klingelschmitt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen