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Regierung macht sich über SPD lustig

Haushaltsdebatte im Bundestag: SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping unterbreitet eine Fülle von neuen Ideen. CDU, CSU, FDP und Grüne hören ihm noch nicht einmal aufmerksam zu  ■ Aus Bonn Markus Franz

Die Rede des Bundeskanzlers war gerade ausgeplätschert, die Koalitionsabgeordneten hatten ein bißchen geklatscht, und Joschka Fischer hatte just eine Zeitung aufgeschlagen, als SPD-Chef Oskar Lafontaine in die Bütt stieg: Das Interesse an seiner Rede war nicht gerade überwältigend. Nichts deutete darauf hin, daß die Haushaltsdebatte im November eigentlich der traditionelle Höhepunkt der parlamentarischen Auseinandersetzung ist. Nach all den leidenschaftlichen und aufgeregten Debatten und Sondersitzen der vergangenen Monate scheint nun gegen Ende des Jahres das Pulver verschossen.

Doch trotz aller Langeweile war bemerkenswertes passiert: Die SPD präsentierte sich wie selten zuvor. Statt auf die Koalition einzudreschen und auf Konfrontation zu setzen, machte Fraktionschef Rudolf Scharping Ernst mit der kürzlich intern ausgegebenen neuen Parole: Nicht immer nur auf die Regierung schimpfen, sondern selbst Akzente setzen. Und so lautete die häufigste Formulierung in seiner Rede: „Wir schlagen vor.“

Gemäßigt im Ton, selten aufbrausend formulierte er von Anfang bis Ende seiner Rede Vorschläge und Angebote. Neu: Die SPD stimmt erstmals im Bundestag der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und der betrieblichen Vermögensteuer zu, wenn dafür die private Vermögensteuer erhalten wird. Und: „Ich will Ihnen vorschlagen, die Belastung der Arbeit zu reduzieren. Dafür schlagen wir vor, versicherungsfremde Leistungen herauszunehmen, die Beiträge für Arbeitslosenhilfe um ein Drittel und für die Renten um ein Prozent zu senken.“

Offen blieb nur, wie die SPD dies finanzieren will. Doch wiederum versöhnlich sprach Scharping von einer „fairen“ Finanzierung. Und der SPD-Fraktionschef fuhr fort: Beteiligung am Produktivvermögen, Ausbildungsplatzabgabe, Ökosteuer, Reform des öffentlichen Dienstes, Teilzeitarbeit, soziale Grundsicherung – eine Fülle von Vorschlägen. Erstmals seit langem trug ein SPD-Politiker zusammenhängend das Alternativprogramm der SPD zur „Flickschusterei der Regierung Kohl“ vor.

Kann eine Regierung diese Vorschläge ignorieren – bei vier Millionen Arbeitslosen? Trotz der Gefahr, nach Auffassung der Opposition im kommenden Jahr in ein Haushaltsloch von etwa neun Milliarden Mark zu stolpern? Kann sie diese Vorschläge totschweigen, obwohl noch keine Vereinbarung über die künftige Vermögen- und Erbschaftssteuer getroffen ist? Sie kann! Kein Wort verlor Nachredner Wolfgang Schäuble über das Angebot der Abschaffung der betrieblichen Vermögensteuer.

Der CDU-Fraktionschef kritisierte statt dessen die Forderung der SPD nach einer Ausbildungsplatzabgabe und beschränkte sich ansonsten auf Späßchen. Solche über eine Passage aus Oskar Lafontaines Redemanuskript vom Bundesparteitag der Sozialdemokraten – die Lafontaine aber gar nicht gehalten hatte. Späßchen über die Reise Gerhard Schröders nach Kuba: Wenn die SPD vom Kommunismus lernen will, hätte sie doch nur nach Magdeburg fahren müssen.

So häufig hatten die Koalitionspolitiker selten gelacht, doch wie sagte Oskar Lafontaine später: „Was empfinden Arbeitslose, was Jugendliche, wenn sie der Debatte folgen?“

Vor Lafontaine hatte der Kanzler gesprochen. Ein bißchen Selbstbeweihräucherung („Wenn ich im SPD-Präsidium säße, hätte die SPD wenigstens mal eine klare Haltung“), ein bißchen Mutmachen („Den Deutschen geht es besser, als die Sozialdemokraten uns weismachen wollen“), ein bißchen Perspektive („Die Schulbidlung muß besser werden“): Das war's.

Als er dann doch auf ein zentrales Problem einging, die Arbeitslosigkeit, die ja bekanntlich bis zum Jahr 2000 halbiert werden soll, sagte der Kanzler nur: „Ich bin dafür, alle Kraft einzusetzen, um dieses Ziel bis zum Jahr 2000 zu erreichen.“

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