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■ Nicht die Sanierung ist das Ziel, sondern die Befriedung der KlientelVersprechungen

Daß es reiche und arme Regionen gibt auf dieser Welt, ist eine Binsenweisheit. Länder, die eine solche Trennung aufweisen, werden von ihren Regierungen meist mit dem Versprechen beruhigt, die Sanierung der armen Regionen sei ihr Hauptanliegen. Nach Ablösung der jeweiligen Verwaltungen sind diese Gegenden meist noch ärmer als vorher. Faustregel ist, daß reiche Regionen mit wenig Geld und Investitionen schneller noch reicher werden als arme Regionen mit viel mehr Zuschüssen.

Die Erklärung dafür ist einfach. In vielen der betroffenen Regionen kommen gleich mehrere nachteilige Eigenschaften zusammen: arm, bevölkerungsreich und ungebildet. Für solche Gebiete reichen in der Regel drei simple Versprechen: Wir schützen die Familie, wir verschaffen euch Arbeit, wir verschonen euch vor Überlastung durch Modernes. Der erste Aspekt stützt die traditionellen Machtstrukturen, der zweite wiegt die Leute in Sicherheit, der dritte nimmt die Angst vor dem Scheitern in einer sich rasant verändernden Welt.

Lassen wir einmal beiseite, daß in solche Gebiete gepumpte Gelder meist in den Händen der wenigen Mächtigen vor Ort landen. Nehmen wir an, einer nationalen Regierung sei es ernst mit einer aus Sanierungsgründen vorgenommenen „Regionalisierung“. Dann gilt immer noch: Vorankommen kann sie faktisch nur dort, wo sich bereits eine Unternehmerschicht gebildet hat und gleichzeitig eine Arbeiterschaft besteht.

Ein Musterbeispiel dafür, wie es nicht funktioniert, ist die italienische Region Kalabrien. Dort hat die Regierung seit den sechziger Jahren Fördergelder für den Aufbau von Fabrikanlagen vergeben, die seither als Ruinen in der Landschaft herumstehen. Zwar lockten die Subventionen tatsächlich die großen Firmen aus dem Norden an. Doch es fehlte vor Ort an Handwerkern, Facharbeitern und Führungspersonal, das in der Lage gewesen wäre, mit den Menschen umzugehen. Wo die Betriebe tatsächlich zu arbeiten begannen, gab es eine ungeheuerlich hohe Quote von Fehlzeiten. Die Menschen, denen man hier Arbeit bot, waren bis dahin einfache Bauern gewesen, gewohnt an eine Ausrichtung ihrer Arbeit nach Jahreszeit, Wind und Wetter. Da liegt doch der Verdacht nahe, daß man mit der Regionalisierung keine Sanierung betreiben will, sondern allenfalls die Klientel unter anderem Vorwand bedienen und die Menschen ruhigstellen will. Gerardo D'Antonio

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