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Konfliktpunkt Nato-Osterweiterung

Auf dem OSZE-Gipfel treten die strategischen Differenzen zwischen der Nato und Rußland offen zutage. Der Westen will der OSZE keine sicherheitsrelevante Rolle einräumen  ■ Aus Lissabon Andreas Zumach

Der Streit um die Nato-Osterweiterung und die künftige Rolle der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beherrschte den gestrigen ersten Tag des OSZE-Gipfels in Lissabon. Der russische Premierminister Wiktor Tschernomyrdin warnte, eine „Ausweitung der Nato und die Verlagerung militärischer Infrastruktur bis an Rußlands Westgrenze“ bedeute eine „neue Wasserscheide in Europa“ und bewirke eine „erneute Teilung des Kontinents“.

Tschernomyrdin verlas eine Botschaft von Präsident Boris Jelzin an die Staat-und Regierungschefs der anderen 53 OSZE-Staaten. Darin erinnerte Jelzin an seine vielfach als Drohung aufgefaßte Prognose vom letzten OSZE-Gipfel 1994 in Budapest, eine Nato- Osterweiterung werde zu einem „Kalten Frieden in Europa“ führen. Moskau schließt offensichtlich nicht aus, daß die Nato ihre Pläne noch korrigiert. „Noch ist Zeit, darüber zu reflektieren, was eine Osterweiterung der Nato bedeuten würde“, appellierte Tschernomyrdin an die in Lissabon anwesenden Vertreter der 16 Nato- Staaten und der beitrittswilligen Länder aus Osteuropa.

Der russische Premier bekräftigte Moskaus Vorschlag, eine „Sicherheitscharta für Europa“ zu beraten. Diese Charta müsse allerdings – nebem dem OSZE-internen Katalog von rund 50 militärischen, politischen, wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Risiken – „rechtlich verbindliche Vereinbarungen“ enthalten und die OSZE zu „effektivem Handeln befähigen“. Innerhalb der diversen, mit Sicherheitsfragen befaßten Institutionen solle die OSZE künftig eine „koordinierende Rolle spielen“. Den politischen Willen aller Beteiligten vorausgesetzt, könnte eine Sicherheitscharta bis zum nächsten OSZE- Gipfel im Jahr 1998 ausgearbeitet werden, erklärte Tschernomyrdin.

Doch dieser politische Wille ist nicht vorhanden. Von den Rednern der ersten Plenumssitzung des Gipfels unterstützte lediglich Weißrußlands Präsident Alexander Lukaschenko die Haltung Moskaus. US-Vizepräsident Al Gore, Frankreichs Staatspräsident Jaques Chirac und andere Regierungschefs aus Nato-Ländern lehnten Moskaus Forderung nach einer rechtlich verbindlichen Sicherheitscharta und einer „koordinierenden Rolle“ der OSZE rundweg ab.

Die Nato-Staaten sind lediglich zur Vereinbarung eines rechtlich unverbindlichen neuen „Sicherheitsmodells für Europa“ bereit. Die russischen Bedenken gegen eine Osterweiterung der Nato wiesen sie als „unbegründet“ zurück. Die „neue Nato“ sei „für niemanden eine Bedrohung“, erklärte Gore. Bis gestern nachmittag gab es noch keinen Konsens über den Text einer Gipfelerklärung zu dem neuen „Sicherheitsmodell für Europa“. Gegen den Entwurf der allgemeinen Schlußerklärung erhob Aserbeidschan noch Einwände wegen des Status von Berg-Karabach. Bereits am Sonntag abend hatten sich die Delegationen darauf geeinigt, ab Januar 1997 in Wien den „Vertrag über konventionelle Strietkräfte in Europa“ (VKSE) neu zu verhandeln und an die neuen Gegebenheiten in Europa anzupassen. Der Vertrag war 1990 noch zwischen der Nato und dem Warschauer Pakt ausgehandelt worden. Die bislang geltenden Obergrenzen für bestimmte konventionelle Waffensysteme, die Aufnahmen bislang unberücksichtigter Waffenkategorien sowie die zukünftige Truppenstärke sollen, vor allem auf Wunsch Moskaus, neu verhandelt werden.

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