: Streiten für die Euro-Stabilität
Die EU-Finanzminister verhandeln über die Zeit nach der vollzogenen Währungsunion. So unsicher wie eine Einigung über Strafen bei zu hohen Defiziten ist auch der Beginn im Januar 1999 ■ Von Ulrike Fokken
Berlin (taz) – Es könnte die Wette des Jahrzehnts sein: Kommt der Euro in diesem Jahrtausend, oder kommt er nicht? Mit anderen Worten: Können die 15 EU-Mitgliedsländer sich in den kommenden Monaten auf die Stabilitätskriterien für die Währungsunion einigen? Und können sie sich auf die Stabilitätskriterien auf die Zeit nach dem 1. Januar 1999 einigen, wenn die Länder bereits Mitglieder der Währungsunion sind?
Gestern sind die europäischen Finanzminister in Brüssel erneut zusammengekommen, um darüber zu verhandeln. Bundesfinanzminister Theo Waigel wollte seinen Kollegen erneut die Geldbußenregelung nahebringen: Wenn das Haushaltsdefizit eines Landes nach Eintritt in die Währungsunion über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigt, soll die Europäische Zentralbank für jeden Prozentpunkt 0,25 Prozent des BIP einbehalten. Kann das Land seinen Haushalt innerhalb von zwei Jahren nicht ordnen, zieht die Euro-Zentralbank das Geld ein. Bereits im September hatten sich die Finanzminister darauf geeinigt. Die Regierungschefs sollten im Dezember abschließend darüber bestimmen.
In Brüsseler EU-Kreisen geht man jedoch nicht davon aus, daß die anderen 14 Finanzminister sich Waigels Diktat beugen. Die Mitgliedstaaten ebenso wie die Kommission wollen zahlreiche Ausnahmeregelungen für den Fall von Rezessionen aufnehmen. Die Deutschen werden wohl bis zum Regierungsgipfel in Dublin am 14. und 15. Dezember ebenfalls in die weichere Gangart verfallen. Bei einem Konjunkturrückgang um bis zu zwei Prozent wäre dann nicht automatisch die Strafe zu zahlen; auch würde diese dann geringer ausfallen. Die EU-Kommission fordert höchstens eine Strafe von 0,5 Prozent des BIP, egal wie hoch die Neuverschuldung ausfällt.
So strikt wie Waigel sieht kein anderer Finanzminister die im Maastricht-Vertrag festgelegten Eingangskriterien für die Währungsunion. Waigel besteht auf maximal 3 Prozent Neuverschuldung, während andere Europapolitiker die Zahl nach dem Komma offen lassen möchten – im Vertrag steht „3 %“. Zudem läßt der Vertragstext eine höhere Neu- wie auch Gesamtverschuldung zu, sofern diese hinreichend rückläufig sind. Überschreitungen sind zugelassen, wenn sie „ausnahmsweise und vorübergehend“ sind. In Zeiten schlechter Konjunktur, argumentieren andere EU-Staaten, seien Haushaltsüberschreitungen Ausnahmen.
Die Maastricht-Kriterien sind politisch gewollt schwammig. Waigel versucht nun nachträglich, sie härter zu machen. Je strikter die Kriterien, desto kleiner die Gruppe der beteiligten Länder. Und um so größer die Chance, daß die in den EU-Mitgliedsländern gar nicht mehr so beliebte Währungsunion verschoben wird. Die schwedische Regierung hält sich die Teilnahme noch offen, ist doch die schwedische Bevölkerung mehrheitlich dagegen. Portugal will nur mitmachen, wenn auch Spainen dabei ist, was nach der Waigelschen Lesart bezweifelt werden darf. Und auch in Deutschland werden Stimmen laut, die Währungsunion unter den harten Waigel-Bedingungen zu verschieben. Am Wochenende hatte sich Otto Graf Lambsdorff, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, dafür bereits ausgesprochen.
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