: Wenn Ehemänner Täter werden
■ Kongreß bilanziert Kampagne gegen Vergewaltigung in der Ehe. Viele Opfer schweigen. Kritik an Gesetzentwurf
Bonn (taz) – Sie ist alltäglich und unabhängig von Einkommen, Bildungsstand, Kultur, gesellschaftlichem Status: Gewalt gegen Frauen in Ehe und Partnerschaft. Nach repräsentativen Umfragen erleidet fast jede dritte Frau in Deutschland Gewalt im „häuslichen Bereich“ durch den Ehemann oder den Partner. Drei Viertel aller Vergewaltigungen werden von Tätern im „sozialen Nahraum“, also von Bekannten oder Verwandten, begangen. Zwischen 1987 und 1991 wurden etwa 350.000 Frauen von ihrem Ehemann vergewaltigt – so das Fazit einer kürzlich veröffentlichten Studie, die das Bundesfrauenministerium in Auftrag gegeben hatte.
In den allermeisten Fällen wird die Gewalt der Männer an ihren Partnerinnen verschwiegen und verharmlost: Höchstens ein Drittel der sexuellen Nötigungen und Vergewaltigungen werden der Polizei gemeldet. Das Schweigen zu brechen war deshalb ein Ziel einer dreijährigen Kampagne des Bundesfrauenministeriums, die am Montag mit einem Kongreß zur „Gewalt gegen Frauen in Ehe und Partnerschaft“ in Bonn beendet wurde.
„Es sind noch zu viele Polizisten, die häusliche Gewalt gegen Frauen als Familienstreit und damit als Privatsache betrachten. Es sind noch zu viele Staatsanwälte, die kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung solcher Delikte sehen“, kritisierte die Bundesministerin für Frauen, Claudia Nolte (CDU), bei der Eröffnung der Tagung. Eine Maßnahme der Bundesregierung sei ihr Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe. Der wurde jedoch vom Bundesrat zunächst gestoppt – und fand auch auf dem Kongreß bei der Mehrheit der Teilnehmerinnen nur Kritik. Hauptkritikpunkt ist dabei die „Widerspruchsklausel“, die es Frauen möglich macht, das Verfahren wegen Verwaltigung gegen ihren Ehemann zu stoppen. Dies mache es Männern leicht, solange Druck auf ihre Frauen auszuüben, bis diese ihre Strafanzeige zurückzögen, lautete die häufigste Kritik. In sich widersprüchlich sei die Klausel zudem, bemängelten mehrere Rednerinnen unter starkem Beifall der Experten.
Frau Nolte verteidigte den Gesetzentwurf: Er sei ein „wesentlicher Schritt“ zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und ein „Kompromiß“, der sich in der Praxis bewähren müsse. Der alte Rechtszustand sei unbefriedigend gewesen und eine politische Mehrheit für das Gesetz ohne Widerspruchsklausel nicht zu erwarten. Der Entwurf verhindere, daß es ein Verfahren gegen den Willen der Frauen gebe. Um dem Druck der Männer zu entgehen, sehe das Gesetz zudem vor, daß Gerichte zu entscheiden hätten, ob die Frau den Widerspruch nicht bloß aus Angst vor dem Mann eingelegt habe.
Mehr Verständnis fand die Ministerin für andere Forderungen des Kongresses. So prüfe die Regierung derzeit, ob in Zukunft auch nichtverheirateten geschädigten Frauen eine Wohnung zur Verfügung gestellt werden könnte, um ihnen mehr Schutz vor ihrem Partner zu geben. In Vorbereitung sei auch ein Gesetzentwurf, der den Schutz der Frauen als Opfer und Zeugen der Vergewaltigung verbessere, wie es auch der Kongreß gefordert hatte. Von den Anregungen und Forderungen der Frauen, so Nolte, „geht nichts verloren“. Philipp Gessler
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