: Wenn Möbel trampen
Die Billigvariante zum Umzugsunternehmen: eine MFG fürs Mobiliar. Selbst Otto-Versand-Chef Otto nutzte sie schon ■ Von Christine Andersen
Ein Umzug steht an. Selbst für so manches Büromöbel, was sich sonst robust und unverwüstlich gibt, bedeutet das Streß. Stunden der Ungewißheit unter mausgrauen Decken. Unsensible Möbelpacker, die den eleganten Bürostuhl zwischen ordinäre Küchenhocker und Pappkartons voller Krimskrams quetschen. Stechpalmen in nächster Nähe, die dem graumelierten Sitzpolster zu Leibe rücken wollen.
Ein Stuhl wird diesem Streß so leicht nicht entkommen. Seine Besitzerin hingegen kann inzwischen ganz neue Erfahrungen mit dem Umzugswesen sammeln. Denn es existiert eine Alternative zum teuren Umzugsunternehmen: Die Möbel-MFG, sprich: Mitfahrgelegenheit.
18 Prozent aller Studierenden nutzen die Mitfahrzentralen der Republik, um zu reisen – das ist ein Erfahrungswert konventioneller Mitfahrzentralen. Schlaue MFG-Manager in Hamburg kamen da auf eine ausgeklügelte Idee: Ein organisiertes Trampen für Möbel. Das Prinzip ist einfach: Kuriere fahren täglich Waren kreuz und quer durch die Republik und ins europäische Ausland. Auf den Rückwegen bleiben ihre Laderäume leer – wertvolle Kapazitäten werden so tausendfach nicht genutzt. Das muß nicht länger so bleiben, dachte sich Enno Kingma und initiierte in Hamburg die Möbel-Mitfahrzentrale. Die vermittelt jetzt freien Frachtraum an Umzugswillige und staut Mobiliar in LKWs, in denen vorher Paletten mit Fernsehern und anderem Elektrobedarf standen.
Die Preise für eine Möbel-MFG liegen durchschnittlich 30 Prozent unter denen konventioneller Möbeltransporteure. Je weiter die Strecke, desto stärker wirkt sich der Preisunterschied aus. Nehmen die Möbelstücke beispielsweise zwei Kubikmeter an Raum für sich in Anspruch, so kostet eine Fuhre von Hamburg nach München ganze 280 Mark.
„Ein Leihwagen wäre da teurer“, versichert der Möbel-Mitfahrzentralen-Chef. Das lockt nicht nur StudentInnen an. Stolz verweist Kingma auf sein prominentestes MFG-Opfer: Otto-Versand-Chef Otto ließ unlängst seinen privaten Umzug in Hamburg von Kingma organisieren.
Nun will der Möbel-MFGler hoch hinaus: Zusammen mit der Personen-Mitfahrzentrale „Citynetz“ will man den Möbeln in der ganzen weiten Republik künftig Beine machen. Das Geschäft könnte boomen, denn immerhin weiß Kingma: „Die Kunden der Mitfahrzentrale haben oft Wochenendbeziehungen. Da sind wir recht zuversichtlich, denn irgendwann ziehen die doch immer in eine gemeinsame Wohnung.“
Und außerdem: MFGs können auch verkuppeln. So vermeldet das Infoblatt vom „Citynetz“, daß sich so mancher Mitfahrer bis über beide Ohren in seine Fahrerin verknallt. „Noch während der Fahrt wurde das Endziel geändert und der Hafen der Ehe angesteuert“, steht da schwarz auf weiß. Welch günstige Zukunftsprognose für die mobilare Mitfahrzentrale! Welch unkonventionell möbelnde Ehevermittlung!
Erreichbar ist die Möbel-Mitfahrzentrale unter der bundesweit gültigen Rufnummer 040- 19 444.
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