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Maulfauler Kaffeeklatsch On-Line

■ Drei Internet-Cafés in Hamburg werben um Biertrinker und Datensurfer

Die Stille ist gesprächig. Drei Männer diskutieren sich die Köpfe heiß – Laute würden da nur stören. Je lebhafter die Unterhaltung, desto tonloser verläuft sie, desto schneller klappern die Tastaturen, die Gesprächsfetzen nach Berlin, Wedel oder Neuseeland übertragen.

In Internet-Cafés wird nicht geplaudert, sondern „gechattet“. So heißt der elektronische Gedankenaustausch mit Menschen, die ganz woanders am Rechner sitzen. Möglich ist das Gespräch auf Distanz in drei Hamburger Internet-Cafés. Der Name ist wenig treffend. Erstens leben die Cafés nicht vom Internet allein, und zweitens hat ihre Atmosphäre wenig mit dem zu tun, was die meisten Menschen mit dem Wort Café verbinden: Hier sitzen die Besucher nicht apfelkuchenkauend vor ihrem Tee mit Rum und reden über das Wetter, das sich draußen auf den Rest der Stadt ergießt. Selbstvergessen und stumm konzentriert wird der Bildschirm mehr zum Guckloch zur Welt als das Café-Fenster.

Die Sprachlosigkeit könnte finanzielle Gründe haben. Wer am Rechner sitzt, zahlt etwa sieben Mark pro halbe Stunde. Da ist Redezeit Geld. Retter der Internet-Café-Kultur sind da Gäste wie Chris Bell, der oft im Timbuktu sitzt. „Hier haben sich schon viele Kontakte ergeben“, plaudert er aus seinem interaktiven Nähkästchen. Einen regelrechten Computerstammtisch gebe es in ihrer Kneipe, berichtet Tim Buktu-Besitzerin Sonja Sefke.

Die Rechner fallen hier kaum auf – ein Grund, trotz der gediegen-holzigen Möbel nach dem Chatten noch ein Bier zu trinken. Das Queue betitelt sich treffend als „Billard Pub“ und besitzt nur wenige Tische, an denen dieses Spiel nicht möglich ist. Bleibt noch das LogIn, mit dem Charme einer On-Line-Imbißbude. Trotzdem: Die Computer sind meist ausgelastet, auch wenn die On-Line-Gaststätten ihre potentielle Kundschaft erstmal ausbilden müssen. Im Queue erklärt ein Betreuer die wichtigsten Regeln, und das Tim Buktu organisiert Seminare zum Umgang mit dem Internet. Den Kopf voll mit Technik und begierig auf den nächsten Tastendruck, denken die Computer-User kaum noch ans Trinken, bemängeln einige Kneipenbesitzer. Die Kante gibt man sich eher in der Stammkneipe – altmodisch unvernetzt und ohne die Gefahr, die Benutzungsgebühr umsonst gezahlt zu haben, weil man im Vollrausch vom interaktiven Surfbrett fällt .

Weil die Besucher so selten zum Glas greifen, könne man von einem reinen Internet-Café nicht leben, meinen Gastwirte. Aber träumen ist erlaubt: „Ich würde ich mir einen kleinen Raum suchen und den gemütlich einrichten.“ sagt Queue-Chef Gerdecke. So könnte es gelingen, dem kühlen Medium Gemütlichkeit abzuzwingen und Café-Flair in den On-Line-Kneipen zu versprühen. Ob es für einen Schnack bei Kerzenschein reicht, ist zweifelhaft – aber auch Bildschirme werfen ja Licht.

Judith Weber

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