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Angst vor dem Ehemann

■ Ex-Ehefrau von Wolf belastet Angeklagten schwer / Gericht hält Wolf derzeit für den Täter - Eine Verurteilung wegen Mordes wird immer wahrscheinlicher

„Todesangst“ habe sie ausgestanden, als ihr Mann sie gewürgt habe, sagte die Ex-Ehefrau von Car sten Wolf gestern vor Gericht. Die Aussage der ersten Frau des 33jährigen Fuhrunternehmers dem vorgeworfen wird, seine Frau Silke und seine beiden Kinder Jana und Fabian umgebracht zu haben, wurde gestern mit Spannung erwartet. Vor dem Eingang zum Schwurgerichtssaal drängelten sich etliche Schaulustige. Die Zuschauerbänke waren voll besetzt. Als die Gerichtsdiener die Türen schlossen, stand noch immer eine Menschenschlange vor dem Aufgang zum Gerichtssaal.

„Ja, ich werde aussagen“, sagte die geschiedene Frau von Carsten Wolf mit fester Stimme. Sie hatte ihren Mann im Februar 1990 wegen Körperverletzung angezeigt. Bis Carsten Wolf im Oktober 1989 Silke Wolf kennengelernt habe, sei ihre Ehe „eigentlich harmonisch“ gewesen, berichtete die 31jährige Krankenschwester. Nur einmal habe Carsten Wolf ihr „eine geknallt“. „Aber daran war ich vielleicht auch selbst schuld, weil ich ihn provoziert habe.“ Nachdem er seine spätere Frau Silke kennengelernt habe, sei ihr Mann „fast keinen Abend mehr zu Hause“ gewesen, erinnerte sich die Zeugin . „Er hat gesagt, er müßte den alten Herrn Jacobs fahren.“ Als sie ihren Mann am 5. Januar 1990 bat, sich mehr um sie und den damals ein Jahr und neun Monate alten Sohn zu kümmern, habe Carsten Wolf zunächst eingelenkt, berichtete seine damalige Frau weiter. Dann schlug er allerdings vor, gemeinsam mit dem Kind Cowboy und Indianer zu spielen. „Ich saß im Wohnzimmer auf der Couch. Carsten fesselte mir die Hände und die Füße mit Wollschals.“ Als ihr Mann kurz aus dem Zimmer gegangen sei, habe sie eine Hand befreit, um sich eine Zigarette anzustecken, so die Zeugin.

Ihr Mann sei zurückgekommen und habe die Hände wieder auf dem Rücken gefesselt. Dann habe Wolf ihr eine schwarze Lederkrawatte um den Hals gelegt.

„Er hat mich gefragt, ob er noch wegfahren soll. Ich habe geantwortet, du bist erwachsen, das mußt du selbst wissen. Dann hat er zugezogen. Mir ist schwarz vor Augen geworden, und ich habe gedacht, du darfst nicht bewußtlos werden, sonst ist alles aus.“ Irgendwie habe sie eine Hand zwischen die Lederkrawatte und ihren Hals bekommen, erzählt die Zeugin. „Mit dem Fuß habe ich die Marmorplatte kaputtgehauen.“ Zwischenzeitlich sei ihr Sohn ins Zimmer gekommen und habe laut geschrien. „Ich habe gedacht, irgendwann muß jemand kommen.“

Die Nachbarin hörte die Schreie schließlich und klopfte an die Tür. „Carsten ließ von mir ab und ging an die Tür. Ich bin ins Bad. Mein Gesicht war blutverschmiert.“ Die Nachbarin habe sie aufgefordert, mit in ihre Wohnung zu kommen. „Doch da war kein Durchkommen. Carsten stand im Flur. Ich saß auf der Treppe. Schließlich haben wir uns darauf geeinigt, daß beide Wohnungstüren offen bleiben und ich wieder mit in unsere Wohnung komme.“

Nach dem Vorfall sei sie trotzdem bei ihrem Mann geblieben. Er habe ihr beteuert, daß das alles „keine Absicht“ gewesen sei. „Ich hatte Angst davor, mit dem Kind allein dazustehen. Außerdem wollte ich dem Kind nicht den Vater nehmen. Doch die Angst vor ihm war da.“

Wenige Tage später sei Wolf mit zwei Schwertern nach Hause gekommen und habe ihr damit „vor der Nase rumgefuchtelt“,erzählte die Zeugin weiter. Danach habe er sich immer mehr von ihr zurückgezogen. Etwa zwei Wochen später sei er mit Silke Wolf zusammengezogen. Ein paar Tage später habe sie ihren Mann wegen Körperverletzung angezeigt. „Ich wollte mich nicht rächen“, versicherte die Zeugin auf Nachfrage des Verteidigers. „Mir war nur plötzlich das ganze Ausmaß bewußt geworden. Ich hatte das Gefühl, daß er mir wirklich was antun wollte, und daß das kein Versehen war.“

Das Landgericht hat gestern den Antrag des Verteidigers abgelehnt, eine Gutachterin zu hören, die behauptet, daß die meisten Kinder von ihren Müttern umgebracht werden. Nach der bisherigen Beweisaufnahme gebe es „deutliche Hinweise auf die Täterschaft des Angeklagten“, begründete das Gericht die Ablehnung. Der Verdacht liege nahe, daß Wolf die Tat sogar geplant habe. Immer wieder habe er Ereignisse, die hinterher tatsächlich eingetroffen seien, zuvor erzählt und auf einen imaginären Zwillingsbruder „projeziert“. Wolf ist wegen Totschlags angeklagt. Da das Gericht jetzt von einer geplanten Tat ausgeht, wird eine Verurteilung Wolfs wegen Mordes immer wahrscheinlicher. kes

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