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Ein Stich ins Chemiker-Herz

Zwölf Jahre nach Bekanntwerden des Boehringer-Skandals wird das Werksgelände versiegelt: Die Entgiftung ist unmöglich  ■ Von Heike Haarhoff

„Eine vollständige Vernichtung der Bodenschadstoffe auf dem Gelände des ehemaligen Boehringer-Werks war aus technischen Gründen nicht möglich.“ Chlorierte Benzole und andere krebserregende Gifte aus der Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittelherstellung des Chemiekonzerns Boehringer Ingelheim, bedauert dessen Sprecher Heribert Johann, werden auch weiterhin und wohl in alle Ewigkeit in der Erde an der Andreas-Meyer-Straße in Moorfleet schlummern.

Dennoch gehe die Sanierung des verseuchten Geländes zwölf Jahre nach Bekanntwerden eines der größten deutschen Umweltskandale nunmehr in die „entscheidende Abschlußphase“: Die 85.000 Quadratmeter Werksgelände, so groß wie 14 Fußballfelder, werden mit Dichtwänden und Oberflächenabdeckelungen komplett „eingekapselt“. Die Schadstoffe sollen so keine Chance mehr haben, aus der undurchlässigen Hülle ins Grundwasser oder andere Bodenschichten zu dringen.

Seit gestern sind Bauarbeiter damit beschäftigt, eine 1,2 Kilometer lange und 80 Zentimeter dicke Dichtwand aus Bentonit (ein beweglich-dynamisches Tongemisch) bis zu 50 Meter tief in die Erde zu fräsen. 70 Millionen Mark kostet der immense, unterirdische Wall, der Ende 1997 fertig sein soll; 254 Millionen Mark hat Boehringer seit 1984 in die Sanierung gesteckt.

Mindestens zehn Jahre, schwören die zuständigen Ingenieure, sei das „Material der Wand 100prozentig dicht“. Selbst wenn sich danach „geringfügige“ Risse bilden sollten, gebe es keinen Grund zur Sorge: Pumpen sorgten dafür, daß der Wasserspiegel innerhalb der Kapsel ständig um 20 Zentimeter abgesenkt, abgepumpt und gereinigt werde. So könne kein Wasser von außen eindringen. Das Unternehmen rechnet mit künftigen jährlichen Folgekosten zwischen „600.000 und 1,2 Millionen Mark, die wir selbstverständlich tragen“.

Es sei „ein Stich ins Herz jedes Chemikers, der ich bin“, bilanzierte Umweltsenator Fritz Vahrenholt (SPD) gestern nachdenklich, „zu sehen, daß nicht alles funktioniert, wie im Studium gelernt“. Als Nebenreaktion der Chlorchemie entsteht gesundheitsgefährdendes Dioxin. Auch hat Vahrenholt erkannt, daß „die Technik nicht alles heilen kann“. So hatte man gehofft, den vergifteten Boden einfach verbrennen zu können, dabei aber technisch-mechanische Probleme der Anlage „Prometheus“ unterschätzt. Sanierungsziel ist jetzt, das Werksgelände künftig wenigstens wieder gewerblich nutzbar zu machen.

Der Chemiekonzern Boehringer hatte in Hamburg zwischen 1951 und 1984 Herbizide und Pestizide hergestellt. Als klar wurde, daß ein Großteil der Schadstoffe unbemerkt ins Erdreich und teils bereits in Grundwasserleiter ausgetreten war, wurde das Werk geschlossen, sämtliche Produktionshallen abgerissen, 200 Menschen per Sozialplan abgefunden oder auf anderweitige Jobsuche geschickt. Noch heute werden mehr als 1000 Menschen regelmäßig auf gesundheitliche Spätfolgen untersucht; einige haben die Firma auf Schadenersatz verklagt. Doch die Dioxinwerte, die im Blutfett nachgewiesen werden konnten, erklärt ein Firmensprecher, seien nur geringfügig erhöht und wiesen keinen direkten Zusammenhang zwischen der Arbeit bei Boehringer und der Gesundheitsbeeinträchtigung nach.

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