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Betr.: Ost-Timor

„Macht es schnell, effizient und nicht mit unseren Waffen“, soll Henry Kissinger gesagt haben, als der US-Außenminister (und Friedensnobelpreisträger 1973) im Dezember 1975 in Jakarta von der bevorstehenden Invasion Ost-Timors erfuhr. Kissinger hatte an der geplanten Militäraktion gegen die Links- Regierung der ehemaligen portugiesischen Kolonie nichts auszusetzen.

Die USA standen unter dem Eindruck ihrer im April 1975 in Kambodscha und Vietnam besiegelten Niederlagen. Washington war für ein massives Vorgehen in Ost-Timor, zumal Jakarta das Gespenst eines zweiten Kubas vor seiner Haustür an die Wand zu malen wußte. Doch Kissinger drängte seine Gastgeber, mit dem Einmarsch wenigstens solange zu warten, bis er und US-Präsident Gerald Ford ihren Staatsbesuch in Indonesien beendet hätten.

Am 7. Dezember begann die Invasion. Doch Indonesiens Truppen folgten Kissingers Ratschlag nicht. Weder waren sie schnell, noch effizient, noch verzichteten sie auf den Einsatz amerikanischer Waffen. Die Demokratische Republik Ost-Timor war erst am 28. November ausgerufen worden. José Ramos-Horta war ihr erster Außen- und Informationsminister. Nach vierhundertjähriger portugiesischer Kolonialherrschaft war die Inselhälfte in Folge der Nelkenrevolution in Portugal vom April 1974 in die Unabhängigkeit gestolpert. Im April 1975 hatte die linksgerichtete Fretilin die ersten Wahlen gewonnen. Im August 1975 putschten pro-indonesische Kräfte, gegen die sich die Fretilin in einem dreiwöchigen Bürgerkrieg durchsetzte.

Der 30.000köpfigen Invasionsarmee stellte Ost-Timor 2.500 Soldaten der ehemaligen portugiesischen Armee und über 10.000 Milizionäre entgegen. Die Indonesier waren vom großen Widerstand überrascht und gingen mit ungeheurer Brutalität vor. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen fielen den direkten und indirekten Folgen der Invasion 200.000 Menschen zum Opfer: ein knappes Drittel der damaligen Bevölkerung Ost-Timors. Die UNO hat die Invasion in mehreren Erklärungen verurteilt und bis heute die Annexion Ost-Timors als 27. Provinz Indonesiens nicht anerkannt.

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