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Das Volk wählt eine atomfreie Zone

■ Bei der Volksbefragung in der russischen Region Kostroma entschieden sich 87 Prozent gegen den Weiterbau eines Atommeilers. Vor allem RentnerInnen hatten sich für das Referendum engagiert

Moskau (dpa) – Die Wähler haben entschieden: Sie wollen kein Atomkraftwerk. Beim ersten großen Referendum in Rußland über einen Nuklearmeiler haben die Bürger der Region Kostroma nordöstlich von Moskau mit großer Mehrheit den Bau abgelehnt. 87,44 Prozent der Teilnehmer hätten sich am Sonntag gegen das Projekt ausgesprochen, teilte die Wahlkommission gestern mit. Beteiligt hatten sich 58,2 Prozent der wahlberechtigten Leute.

Ihnen lag bei dem Referendum die Frage vor: „Sind Sie mit dem Standort und dem Bau des Atomkraftwerks im Gebiet Kostroma einverstanden?“ Das Ergebnis des Referendums ist bindend. Die Abstimmung wurde gleichzeitig mit der Wahl des Gebietsparlaments und Gouverneurs durchgeführt.

Der Bau des Atomkraftwerks in Kostroma war 1986 nach dem GAU von Tschernobyl gestoppt worden, da Reaktoren vom Unglückstyp RBMK eingesetzt werden sollten. Zuletzt war ein neuentwickelter Reaktortyp, WPBER-600, im Gespräch. Dieser Meiler ähnelt im Aufbau den Antriebsreaktoren russischer Atom- U-Boote und wurde bisher in keinem russischen Atomkraftwerk eingesetzt.

Die notwendigen Unterschriften für das Referendum hatte die in dem Gebiet tätige Umweltgruppe „Im Namen des Lebens“ gesammelt. 35.000 Namen von UnterstützerInnen hatten die AktivistInnen, die vorwiegend im Rentenalter stehen, zusammengetragen – wie es das Gesetz für Volksbefragungen vorschreibt. Greenpeace hatte die Vorbereitung der Volksbefragung logistisch und personell unterstützt. Das Werk gefährde die Natur der Ferienregion und sei überflüssig, argumentierten die UmweltschützerInnen und kündigten weitere Volksbefragungen an.

Befürworter des Baus hatten dagegen vor dem Verlust von Arbeitsplätzen und Entwicklungschancen für die Region an der oberen Wolga gewarnt. Der Sprecher des russischen Atomministeriums, Georgi Kaurow, wiegelte gestern nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses jedoch ab: Ein Weiterbau des Kraftwerkes in der Kostroma- Region sei sowieso nicht mehr geplant gewesen. In der Region gebe es schließlich schon jetzt genug Strom. Noch etwa 150 Leute sichern bis heute die Bauruinen aus den Jahren 1983 bis 1986 – Versorgungseinrichtungen für einen Reaktor, der nie gebaut wurde. Sie werden jetzt wohl arbeitslos.

Zu Zeiten der Sowjetunion hatte es Ende der 80er Jahre bereits einmal eine örtliche Bürgerbefragung zur Atomkraft gegeben. Doch die Abstimmung im Atomzentrum Tscheljabinsk (Südural) war damals nicht bindend.

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