: Neues Leben in der City-Süd
In dem toten Bürostadtteil in Hammerbrook sollen künftig auch Menschen wohnen und leben können ■ Von Heike Haarhoff
Wer hier Bier trinken will, muß das während der Dienstzeit tun: Die Kneipen in der City-Süd haben sich den Bürozeiten angepaßt. Nach 15 Uhr erfordert es detektivisches Geschick, inmitten der vier- bis siebengeschossigen Bürohausstraßenzüge von Hammerbrook ein Café aufzutun: „Es lohnt nicht. Am Wochenende bleiben wir ganz geschlossen“, sagt eine Kellnerin.
Spätestens um 17 Uhr schließen auch die Kopier-, Zeitschriften- und Tabakläden im Erdgeschoß der Gebäudekästen aus Glas-, roten Klinker- oder metallisch-glitzernden Spiegelfassaden: 15.000 Beschäftigte aus Banken, Versicherungen, Verwaltungsgerichten, Elektronikfirmen, Werbeagenturen, Fotostudios und anderen Dienstleistungsunternehmen strömen in Richtung Tiefgarage, manche zur S-Bahn.
„Abends“, sagt eine Passantin, „ist Hammerbrook tot.“ Daran ändere weder der Wochenmarkt etwas, der hier seit September jeden Mittwoch stattfindet. Noch die Bemühungen der 30 Firmen, die sich zur „Interessengemeinschaft City-Süd“ zusammengeschlossen haben und dem Bürostadtteil mit Wohnungen und Läden neuen Schwung verleihen wollen. In dem dreieckigen Stadtteil zwischen Spaldingstraße, Amsinckstraße und Heidenkampsweg gibt es zwar 250.000 Quadratmeter Bürofläche (davon rund fünf Prozent leer) zu günstigen Mieten (20 bis 30 Mark), aber so gut wie keine Wohnungen. Ganz zu schweigen von Kinos, Theatern, Boutiquen oder Supermärkten.
Auch der Angestellte aus dem Reisebüro im Hansa-Carree hat so seine Zweifel, ob „das hier irgendwann doch noch lebendig wird“.
Genau das aber ist erklärtes Ziel Hamburgs Stadtplaner; sie haben aus den Planungsfehlern der 70er und 80er Jahre gelernt: Damals schufen sie ohne stadträumliches Konzept die Bürohausstadt City-Süd. Künftig aber sollen Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Kultur wieder nebeneinander möglich sein. Peter Illies, Stadtplanungschef im Bezirk Mitte, wünscht sich künftig „inselartiges Wohnen“, wenn auch wohl eher für finanzkräftige Singles als für Familien. 1000 zusätzliche Wohnungen für 2500 Menschen in Hammerbrook hält er für realistisch.
Der erste Schritt ist bereits getan: Vergangene Woche wurde das Planrecht geändert; Wohnungsneubau ist nunmehr in dem ehemaligen reinen Gewerbegebiet möglich. Das Gelände an der Sonninstraße neben dem stadtteilprägenden Kontorhaus „Sonninhof“, in dem früher Kakao und Schokolade hergestellt wurde, soll demnächst ebenfalls mit Wohnungen bebaut werden. Andere Bürokomplexe werden mit Wohnetagen aufgestockt. Die letzten traditionellen Kontorhäuser wie der „Industriehof“ an der Hammerbrookstraße aus dem Jahr 1906 werden geschützt; Künstler haben hier Ateliers eingerichtet. Den Heidenkampsweg wollen die Hamburger Architekten Bothe, Richter und Teherani mit einem gläsernen Doppel-X-Haus mit innenliegenden Gärten beleben; der Neubau gilt als einer der ungewöhnlichsten Hamburgs (taz berichtete).
Daß er in der City-Süd entsteht, ist kein Zufall: Hamburgs Oberbaudirektor Egbert Kossak hält das „Tor zur Innenstadt zwischen Bille und Elbe“, mit guter Verkehrsanbindung, attraktiver Kanallage und in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof, für das einzig citynahe Entwicklungsgebiet Hamburgs, abgesehen von den Flächenreserven im Hafen selbst. Ein neues Kontorhausviertel mit einer Architektur, die die Tradition hanseatischer Handelshäuser mit den Anforderungen moderner Büros der Informationsgesellschaft verbindet, schwebt ihm vor.
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