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Widerstand gegen Annan nur noch aus Frankreich

■ Bei der Suche nach dem neuen – afrikanischen – UN-Generalsekretär tobt ein Stellvertreterkampf zwischen den USA und Frankreich um Prestige und Einfluß

Berlin (taz) – Es sage niemand, Pluralismus sei Afrikanern fremd. Was sich derzeit bei der Suche nach einem neuen UNO-Generalsekretär abspielt, ist so pluralistisch, daß es möglicherweise zu überhaupt keinem Ergebnis führt. Bis zum kommenden Dienstag, wenn die UN-Generalversammlung sich in die Weihnachtsferien zurückzieht, soll ein Nachfolger für den Ägypter Butros Butros Ghali gefunden sein, dessen Amtszeit zum Jahresende ausläuft. Der Konvention entsprechend soll der Nachfolger wie Butros Ghali ein Afrikaner sein, da jeder Kontinent zwei Generalsekretärsamtszeiten hintereinander besetzt.

Er verfolge das Geschehen um seine Nachfolge „fasziniert“, hat Butros Ghali bereits wissen lassen. Da gibt es vier deklarierte und mindestens drei Reservekandidaten aus Afrika, und keiner davon hat bisher den nötigen Konsens der fünf ständigen Sicherheitsratsmitglieder gewonnen. Und während einerseits Afrika im Zugzwang steht, sich auf einen Kandidaten zu einigen, sind es die Großmächte, die ihn mit ihrem Vetorecht letztendlich absegnen oder in die Wüste schicken können. Da die USA und Frankreich sich gegenwärtig einen Stellvertreterkrieg um Einfluß und Prestige in Afrika liefern, ist jeder Kandidat, den die USA wollen, Frankreich suspekt – und umgekehrt. Es liegt also gar nicht in afrikanischen Händen, welcher Afrikaner an die UN- Spitze kommt.

Die Probeabstimmungen der vergangenen Tage haben das bestätigt. Zwei klare Spitzenreiter gibt es nun: Kofi Annan aus Ghana und Amara Essy aus der Elfenbeinküste. Ghana ist anglophon und ein Musterland US-inspirierter Wirtschaftspolitik; die Elfenbeinküste ist frankophon und wichtigste Stütze von Paris in Westafrika.

Die beiden Länder sind Nachbarn, liegen aber sozusagen Rücken an Rücken. Sie beide erheben den Anspruch auf diplomatische Führerschaft in derselben Weltregion, und sie tragen ihre Rivalität aus, indem sie sich konsequent ignorieren. Man kann Wochen in jedem der beiden Länder verbringen und aus den Medien kein Anzeichen dafür finden, daß der Nachbar überhaupt existiert. Seit kurzem erst gibt es eine durchgängig befahrbare Küstenstraße zwischen den beiden Hauptstädten Abidjan und Accra; jedem, der einsame Reiserouten liebt, ist sie zu empfehlen.

Der 58jährige Ghanaer Kofi Annan hat derzeit die besseren Karten. Er arbeitet seit 34 Jahren bei den Vereinten Nationen und ist derzeit als Untergeneralsekretär für Blauhelmmissionen zuständig, von denen es glücklicherweise zur Zeit nicht mehr allzu viele gibt. Bei der letzten Probeabstimmung am Donnerstag abend erhielt er 14 Jastimmen – und eine Vetoankündigung von Frankreich. „Er spricht meine Sprache nicht“, soll Jacques Chirac gesagt haben. Zwar gibt es genug Ohrenzeugen, die ihn schon Französisch haben reden hören, zum Beispiel als Student in Genf, aber er kommt nun einmal aus dem falschen Land.

Aus dem richtigen Land kommt nach französischer Sichtweise dagegen Amara Essy, der 52jährige Außenminister der Elfenbeinküste. Aus Pariser Sicht vereint er viele Qualitäten. Er spricht perfekt Französisch, ist Schwarzer und Muslim und hat ein Jahr lang als Vorsitzender der UN-Generalversammlung Punkte gesammelt. Im Gespräch gibt er sich als geschliffener Diplomat, dem zum Beispiel gegenüber der taz immer vernünftig klingende Gründe eingefallen sind, warum irgend etwas wie zum Beispiel eine panafrikanische Standby-Friedenstruppe nicht geschehen kann. Das allerdings ist eine schlechte Haltung für jemand, der UN-Generalsekretär werden will. Im UN-Sicherheitsrat bekam er zuletzt nur sieben Stimmen, mit Gegenstimmen von den USA und Großbritannien. Das reicht wohl nicht.

Der Ball liegt nun bei Frankreich. Gibt Paris sein Veto auf, heißt der nächste UN-Generalsekretär vermutlich Kofi Annan. Dies wird in Afrika dann als untrügliches neues Zeichen des schwindenen französischen Gewichts in der Weltpolitik gedeutet werden. Das, und weniger die Sprachenfrage, motiviert den Widerstand gegen Annan aus Paris. Dominic Johnson

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